Das Weiße Haus wird grün: Zum ersten Mal seit einem Vierteljahrhundert soll das Dach wieder großflächig mit Solarkollektoren ausgestattet werden. Das verkündete Barack Obamas Energieminister Steven Chu. Das Weiße Haus sei weltweit ein Symbol für Freiheit und Demokratie, sagte er. "Nun soll es auch ein Symbol für das amerikanische Engagement für eine Zukunft mit sauberen Energien werden."
Nun sind Amerikaner international bislang eher dafür bekannt, benzinfressende Geländewagen zu fahren, alles in Styropor einzupacken und je nach Jahreszeit Klimaanlagen oder Heizungen auf Anschlag zu drehen. Doch zumindest innenpolitisch könnten ein paar Solarzellen auf dem Wohn- und Regierungssitz des US-Präsidenten - und schöne großformatige Fotos, wie das Staatsoberhaupt persönlich bei der Installation Hand anlegt - eine ähnlich positive Wirkung entfalten wie Michelle Obamas Einsatz als Gemüsegärtnerin.
Weil aktuelle Fotos allerdings noch fehlen, verwenden die Medien historische Bilder - von Jimmy Carter. Dieser war 1979 der erste Präsident, der eine Solaranlage auf dem Dach des Weißen Hauses anbringen ließ. Warum das ein Problem für Obama ist, bringt Historiker Allan Lichtman in der New York Times auf den Punkt: "Solarzellen sind ein gutes Symbol. Jimmy Carter nicht."
Fast schon ikonographisch steht Carter für das Scheitern. Er ist der Prototyp des erfolglosen linken Präsidenten, der nach nur einer Amtszeit und lediglich 34 Prozent Zustimmung in Umfragen aus dem Amt schied. Vergangenheitsexperte Lichtman befürchtet, dass der Vergleich Obamas mit Carter den Demokraten bei den Anfang November anstehenden Kongresswahlen sehr schaden wird.
Allerdings ist Sonnenenergie heutzutage nicht mehr das Orchideenthema, das es noch 1979 war. Der Klimawandel ist Realität, Reformen der Energieversorgung in allen Industrienationen auf der Agenda. Vor allem Obamas Stammwählerschaft ist enttäuscht, dass der Präsident in dieser Hinsicht bisher wenig zuwege gebracht hat.
Die Sonnenkollektoren auf dem Dach des Weißen Hauses sind daher nur ein Teil der aktuellen Regierungsinitiativen. Obamas Innenminister Ken Salazar ließ zeitgleich verlauten, dass er zwei große Solaranlagen in der kalifornischen Wüste genehmigen werde, außerdem seien mehrere Windparks an der Ostküste in Planung.
Das sind Trippelschritte. Doch da der Kongress dem Weißen Haus die Mitarbeit einer neuen Klima- und Energiegesetzgebung verweigert hat, ist es alles, was die Obama-Regierung tun kann. Umweltaktivist Bill McKibben sagte der New York Times, er sei begeistert von der Solaranlage. "Das Weiße Haus tut das Richtige und aus den richtigen Gründen."
McKibben hatte bereits vor einem Monat einen der historischen Solarkollektoren von Carter zum Weißen Haus gebracht mit dem Appell, sie doch wieder zu installieren. Carters Nachfolger Ronald Reagan hatte die Sonnenenergieanlage 1986 wegen "Dachreparaturen" entfernen lassen. Auf diesen Appell vor vier Wochen reagierte das Weiße Haus noch vage - vermutlich, weil die eigenen Pläne schon in Vorbereitung waren.
Eigentlich hatte Obama schon zum Amtsantritt verkündet, eine Solaranlage auf dem Dach haben zu wollen. Doch auch der mächtigste Mann der Welt muss sich abstimmen - in diesem Fall mit seinem Sicherheitsdienst, dem Bundesparkamt, seinem Haushaltsmanager und der Verwaltung des Weißen Hauses, dem Gremium für Umweltschutz, dem Energieministerium und nicht zuletzt der Behörde für generelle Dienstleistungen. Das kann offensichtlich zwei Jahre dauern.
Übrigens hat auch George W. Bush Solarkollektoren im Weißen Haus anbringen lassen - allerdings nur zum Erwärmen des Swimmingpools. Mit der neuen, größeren Anlage soll ab dem Frühjahr 2011 das Warmwasser und eine geringe Menge Strom für die Residenz erzeugt werden.