Söldner in Libyen:Gaddafis schreckliche Helfer

Gnadenlose Killer, die selbst Frauen und Kinder jagen: Der libysche Herrscher Gaddafi soll Söldner aus mehreren afrikanischen Ländern angeheuert haben, um den Volksaufstand zu ersticken.

Arne Perras

Ihr Ruf könnte schrecklicher nicht sein. Sie gelten als gnadenlose Killer, die selbst Frauen und Kinder jagen. Wenn Augenzeugen in diesen Tagen von der Gewalt in Libyen berichten, beschuldigen sie oftmals Kämpfer, die sie als "afrikanische Söldner" bezeichnen. Immer wieder ist zu hören, dass diese Männer wehrlose Demonstranten "niedermähen". Mancherorts haben Augenzeugen beobachtet, wie schwerbewaffnete Männer von den Dächern wahllos in die Menge schossen. Aus Tripolis ist zu hören, dass sich bewaffnete Milizen sogar in Krankenwagen verstecken, um die Menschen aus dem Hinterhalt zu überfallen. Sie springen demnach plötzlich aus der Ambulanz und schießen um sich, wie einheimische Angestellte einer britischen Baufirma beobachtet haben.

Die meisten dieser Killer wurden von libyschen Demonstranten als "Schwarze" und "Ausländer" beschrieben. Sie sprechen Französisch - und manchmal auch andere fremde Sprachen. Aber wer sind diese Kämpfer tatsächlich? Wer hat sie angeheuert und woher kommen sie? Spekulationen über ihre Herkunft verbreiten sich schnell. Nigeria, Mali, Niger, Tschad, Sudan, Liberia - der halbe afrikanische Kontinent wird aufgezählt. Aber das sind nur begründete Mutmaßungen, die sich angesichts der chaotischen Situation nicht überprüfen lassen. Sicher ist, dass Gaddafi früher schon Söldner für seine Ziele engagierte. So heuerte er in den siebziger und achtziger Jahren Soldaten bis aus Indien an, um sie im Tschad kämpfen zu lassen.

Jeder sechste Einwohner in Libyen ist ausländischer Herkunft. Mehr als eine halbe Million Menschen haben ihre Wurzeln südlich der Sahara. Zumeist sind sie aus dem Tschad, Niger oder Sudan zugewandert, sie sprechen Haussa und Französisch, manchmal auch Englisch. Die libysche Ölindustrie ist ein Magnet für Arbeiter aus benachbarten afrikanischen Ländern. Und Gaddafi hat auch schon seit längerem afrikanische Kämpfer in seine Sicherheitskräfte integriert, obgleich niemand genau weiß, wie viele es sind. Er hat auf dem Kontinent ein enges Netzwerk geknüpft, mit seinen Öl-Milliarden kauft er sich Verbündete, die ihm noch zu Hilfe eilen könnten. Dazu zählen einige Präsidenten des Kontinents, aber auch Rebellengruppen oder traditionelle Führer, als deren Oberhaupt sich Gaddafi feiern ließ. Vielerorts sorgte Gaddafis Einmischung für Chaos, zuletzt in Darfur, wo er immer wieder auch rivalisierende Rebellenfraktionen unterstützte und den Konflikt kräftig schürte.

Issaka Souaré, der die Ereignisse in Libyen für das Institute of Security Studies in Südafrika analysiert, glaubt, dass die mutmaßlichen Söldner schon länger zu Gaddafis Sicherheitskräften gehören. Dafür kommen vor allem Gruppen mit Wurzeln im Tschad in Frage, die schon früher für den Libyer ins Feld gezogen waren. Außerdem gibt es Tausende Tuareg, die in Gaddafis Diensten stehen sollen. Der malische Analyst Adam Thiam spricht von Hinweisen, dass etwa 600 von ihnen ein Sonderkommando in der ostlibyschen Stadt Bengasi bildeten. Womöglich war diese Gruppe zum Einsatz gekommen, um den Aufstand in den ersten Tagen zu unterdrücken. Das würde erklären, warum Demonstranten dort von "Söldnern aus Afrika" sprechen. Aber bewiesen ist das bislang nicht.

Trotz vieler Hinweise ergibt sich kein scharfes Bild von den mutmaßlichen Söldnern Gaddafis. Über die Augenzeugenberichte hinaus, die über al-Dschasira, Blogs oder Filmclips im Internet in die Öffentlichkeit gelangen, fehlen unabhängige Bestätigungen. Ein westlicher Diplomat in Tripolis konnte die Präsenz von Söldnern in der Stadt nicht bestätigen. Ein Student aus Bayda hatte davon berichtet, dass "einzelne Söldner" von den Leuten gefangen worden seien. Sie sollen zugegeben haben, dass sie von Gaddafi Befehle erhielten, Demonstranten zu erschießen. Filme von gelynchten Afrikanern, die angeblich Söldner waren, kursieren im Internet.

Wenn der libysche Diktator tatsächlich auf Kämpfer aus dem Ausland setzt, so dürfte dies einem bösen Kalkül entspringen: Fremde lassen sich leichter ins Feld schicken, um auf Libyer zu schießen als Soldaten aus dem eigenen Volk. Seitdem Sudans Regierung erklärte, dass auch Darfur-Rebellen des Justice and Equality Movement (JEM) in die Kämpfe in Libyen involviert seien, ist das Bild noch verworrener. Richtig ist, dass Gaddafi der JEM und ihrem Chef Khalil Ibrahim Zuflucht gewährt. Ob sie auch für ihn in Libyen kämpfen, ist unklar. Darfur-Experten halten dies für wenig wahrscheinlich, weil auch heftige Kämpfe im Westsudan toben. "JEM hat auf dem eigenen Schlachtfeld genug zu tun", sagt ein Analyst in Khartum.

Wenn Gaddafi weiter unter Druck gerät, könnte er tatsächlich versuchen, neue Söldnertruppen einzufliegen, sagt Souaré. "Das Geld dafür hat er." Gleichwohl werde das schwer für ihn, glaubt Souaré, weil die Nachbarländer nun alarmiert sind. "Es ist nicht so einfach, eine größere Zahl von bewaffneten Ausländern einzufliegen, ohne dass das in den Herkunftsländern bekannt wird." Alle Nachbarn starren nun auf Libyen, in der Hoffnung, dass die Gewalt nicht über die Grenzen schwappt.

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