Kanzlerkandidatur:Söder testet das Gelände

Markus Söder (Bayerischer Ministerpräsident) / PK / Lockerungen / Corona-Pandemie / Bayerin / Prinz-Carl-Palais / Münch

In der Corona-Pandemie hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder früh entschieden, dem Schutz vor dem Virus alles andere unterzuordnen.

(Foto: imago images)

Bayerns Ministerpräsident bittet Kanzlerin Merkel nach Herrenchiemsee - wo man sich zeigt, wenn man nicht nur als Bayer, sondern auch als Bundesbürger beschrieben werden will.

Kommentar von Detlef Esslinger

Markus Söder hat Angela Merkel zu einer Sitzung seines Kabinetts eingeladen, also zum Fototermin. Dazu hätte er einen praktischen, einen bodenständigen oder den berühmtesten Ort im Freistaat wählen können: die Münchner Staatskanzlei, seine Heimat Nürnberg oder Neuschwanstein. Söder sagt ja immer, sein Platz sei in Bayern, und jedes Foto von einem dieser Orte wäre eine eindeutige Illustrierung jenes Satzes.

Söder aber bittet Merkel an diesem Dienstag nach Herrenchiemsee - wo eine eindeutig zweideutige Inszenierung möglich ist: Es handelt sich um jenen bayerischen Ort, an dem 1948 der Verfassungskonvent das Fundament fürs Grundgesetz legte.

Die früheren Kanzlerkandidaten der CSU, Strauß und Stoiber, scheiterten auch daran, dass sie als 150-prozentige Bayern daherkamen; was ihnen zwar in Passau half (wo sie keine Hilfe brauchten), nicht aber in Pirmasens (wo sie die nötig gehabt hätten). In Herrenchiemsee zeigt man sich, wenn man nicht nur als Bayer, sondern auch als Bundesbürger beschrieben werden will.

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Dass Markus Söder überhaupt Anlass hat, mit der Kanzlerschaft zu kokettieren, lag lange außerhalb jeder Vorstellung. Nun aber sagen vier von fünf Unions-Anhängern und zwei von drei Deutschen, dass er sich für das Amt eigne; kein anderer möglicher Kandidat erzielt derzeit solche Werte.

Mehr Sicherheit, als Söder vermittelte, war kaum lieferbar

In den kommenden Monaten können sich Stimmungen und Prioritäten noch fünfmal drehen, weshalb es sehr voreilig wäre, den Geländetester Söder bereits zum Favoriten auszurufen. Was die Umfragen aber offenbaren: welches Bedürfnis Parteien zu befriedigen haben, wollen sie im Vorwahljahr konkurrenzfähig bleiben.

In der Pandemie hat Markus Söder früh entschieden, dem Schutz vor dem Virus alles andere unterzuordnen. Er trat auf als überlegter, unbeirrbarer und zugleich ruhiger Krisenmanager, bei dem man zwar nicht gewiss sein konnte, ob er richtig oder falsch entschied, wohl aber, dass er dies nach bestem Wissen und Gewissen tat. Mehr Sicherheit, als Söder vermittelte, war kaum lieferbar - und so ist es immer, wenn Menschen Krisen als existenziell wahrnehmen: Nichts wird ihnen dann wichtiger als Sicherheit.

Auch die Grünen profitieren weiterhin von diesem Bedürfnis, die Freien Demokraten hingegen vorerst nicht. In der Klimapolitik geht es darum, die Grundlagen menschlichen Lebens zu sichern; in der Klima- wie in der Corona-Krise geht es darum, aus Erkenntnissen von Forschern Politik zu machen. Indem die Grünen hier unbeirrbar bleiben, sind es auch ihre Anhänger, zumindest laut Umfragen.

FDP-Chef Lindner hat wenigstens erkannt, was sein Problem ist: Eine Partei, deren Kernprodukt "Eigenverantwortung" lautet, hat es schwer zurzeit. Sie müsste den Leuten darlegen, dass sie sich auch per Eigenverantwortung Sicherheit verschaffen können - oder sie dürfte so erfolgreich sein wie ein Verkäufer von Kühlschränken am Nordpol.

Und die SPD? Die Vorsitzende Esken will "besonders", dass der Kanzlerkandidat oder die -kandidatin fähig zum Teamplay sei. Nach aller Erfahrung mit dieser Partei heißt dies, dass jemand gesucht wird, der oder die brav ihre Linie vertritt, jedenfalls bloß nicht zu populär ist. Herrenchiemsee wird gewiss kein Ort sein, den sie bei solchen Kriterien braucht; um unbemerkt zu bleiben, reichen Schorfheide oder Hunsrück völlig aus.

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