Soziale Medien:Regierung verschärft Kampf gegen Terrorpropaganda

Soziale Medien: Wenn Netzwerke wie Facebook den neuen Vorgaben nicht nachkommen, drohen ihnen Geldbußen in Milliardenhöhe.

Wenn Netzwerke wie Facebook den neuen Vorgaben nicht nachkommen, drohen ihnen Geldbußen in Milliardenhöhe.

(Foto: Valentin Wolf/Imago)

Plattformen wie Facebook oder Telegram sollen "terroristische Inhalte" künftig binnen einer Stunde löschen - andernfalls drohen hohe Bußgelder. Das sieht ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor.

Von Markus Balser und Ronen Steinke, Berlin

Im Kampf gegen Hass und Hetze im Internet erhöht die Bundesregierung den Druck auf die sozialen Medien. Die Ampelkoalition plant, neue Regeln und scharfe Sanktionen einzuführen, wenn Netzwerke wie Facebook, Twitter, Youtube oder Telegram "terroristische Inhalte" nicht schnell löschen. In schweren Fällen soll das Bundeskriminalamt (BKA) künftig die Löschung von Beiträgen innerhalb einer Stunde verlangen können.

Das sieht ein 19-seitiger Gesetzentwurf aus dem Innenministerium vor, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Am kommenden Montag soll er im Bundeskabinett verabschiedet werden. Die Regierung setzt damit eine EU-Verordnung als Teil einer breiter angelegten europäischen Anti-Terror-Strategie um. Die Regeln sollen bis zum 7. Juni in Kraft treten.

Kommen die Netzwerke den Vorgaben nicht nach, sollen Behörden künftig erhebliche Geldbußen verhängen können. Das Papier sieht für systematische Verstöße großer Unternehmen Summen von bis zu vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes im vorigen Geschäftsjahr vor. Sollte ein Unternehmen wie die Facebook-Mutter Meta belangt werden, könnte das bei einem Jahresumsatz von 118 Milliarden Dollar zu einer Geldbuße von 4,7 Milliarden Dollar (4,2 Milliarden Euro) führen.

Bei kleineren Unternehmen bis 125 Millionen Euro Jahresumsatz werden bis zu fünf Millionen Euro fällig. Unternehmen sollen dem Gesetzentwurf zufolge zudem verpflichtet werden, eigene Ansprechpartner für deutsche Behörden zu nennen, denen Sicherheitsbehörden Beschwerden über Inhalte zukommen lassen können.

Beim BKA soll es eine Kontaktstelle für Bürger geben

Vor allem die kurzen Löschfristen und die hohen Geldbußen dürften die Anbieter sozialer Netzwerke beunruhigen. Damit verschärfen Behörden ihr Vorgehen gegen die Dienste weiter. Schon bei Forderungen zum Löschen von Fake News hatte sich die Bundesregierung besonders mit dem Messenger-Dienst Telegram angelegt.

Das Innenministerium fordert seit Längerem, dass Hass und Hetze konsequenter geächtet und entfernt werden. Lange kam Telegram der gesetzlichen Pflicht zum Löschen jedoch nicht nach. Erst nach monatelangem Ringen lenkte das Unternehmen Mitte Februar ein, benannte Ansprechpartner und begann mit dem Löschen von Einträgen.

Die Aufgaben des BKA werden mit dem neuen Gesetz deutlich ausgebaut. Es soll eine "Kontaktstelle" für Bürger einrichten, an die sie "terroristische Inhalte" melden können. Gemeint sind Fälle der Verherrlichung, Anleitung oder Anstiftung zu Terroranschlägen, also etwa auch Aufrufe zum Mord an Politikern, wie es sie zahlreich gegen den CDU-Politiker Walter Lübcke gegeben hatte, bevor er 2019 von einem Rechtsextremen erschossen wurde. Die Bundesnetzagentur soll in diesen Fällen die Sanktionen gegen Anbieter verhängen können. Legal bleiben sollen dagegen auch künftig Inhalte, die zu Bildungs- und Forschungs-, journalistischen oder künstlerischen Zwecken verbreitet werden.

Bisher drängt Deutschland in der EU am stärksten darauf, dass soziale Netzwerke beim Durchsetzen strafrechtlicher Regeln helfen. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das seit 2017 gilt, verpflichtete Unternehmen wie Twitter erstmals, illegale Hetze zu sperren. Neuerdings müssen sie diese auch dem BKA melden. Aus Brüssel drohen bereits weitere Verschärfungen. Das EU-Parlament berät derzeit, nach deutschem Vorbild EU-weit Lösch- und Sperrregeln auch über den Bereich der Terrorpropaganda hinaus einzuführen.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusRusslands Informationskrieg
:Am Anfang war die Lüge

Lange bevor russische Panzer die Ukraine angegriffen haben, begann Putins Propagandaschlacht im Internet. Über den Krieg der Trolle, der jedes Handy erreicht.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: