Soziale Netzwerke:Wie gefährlich sind Social Bots?

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Social Bots sind eine Gefahr für die Demokratie - oder etwa nicht? (Illustration: Shutterstock) (Foto: Shutterstock)
  • Social Bots sind leicht zu programmieren und lassen sich zu Netzwerken zusammenschließen. Hunderttausende sind schon im Netz unterwegs.
  • Politiker befürchten, dass sie benutzt werden könnten, um Wählermeinungen zu beeinflussen - Experten sehen aber noch keine Belege dafür.
  • Social Bots seien eher ein Symptom eines Vertrauensverlustes in Politik und Medien.

Von Christian Endt, Berlin

Im Bundestag geht die Angst um. Nach Brexit, Trump-Wahl und dem Aufstieg der AfD befürchten die Abgeordneten, dass der anstehende Bundestagswahlkampf zu einer schmutzigen Schlacht wird, ausgetragen im Internet. Zwei Phänomene sind als besonders gefährlich ausgemacht worden: Fake News, also bewusst verbreitete Falschmeldungen. Und Social Bots, also Computerprogramme, die automatisiert Botschaften in sozialen Netzwerken verbreiten.

Solche Bots sind leicht zu programmieren; zusammengeschaltet zu Netzwerken von Zehn- oder Hunderttausenden Accounts können sie erheblichen Einfluss auf politische Debatten ausüben, so lautet zumindest die Befürchtung. Katrin Göring-Eckardt, die Fraktionschefin der Grünen, forderte daher kürzlich eine Kennzeichnungspflicht für Social Bots; die Unions-Innenminister aus Bayern, Hessen und dem Saarland wiederum wollen sie dem Strafrecht unterwerfen und die Betreiber der automatischen Profile haftbar machen.

Bots sind schwer zu erkennen

So weit, so hilflos. Praktisch steht so eine Regulierung vor mindestens zwei Hindernissen: Häufig werden die Bots vom Ausland aus betrieben und entziehen sich so der Macht deutscher Behörden. Und vor allem lässt sich kaum zuverlässig ermitteln, ob sich hinter einem einzelnen Account ein Mensch oder eine Maschine verbirgt.

Viel zitiert wurde eine Studie der Uni Oxford, wonach während der TV-Debatten zur US-Wahl Hunderttausende solcher Accounts allein auf Twitter unterwegs waren, vor allem aus dem Trump-Lager. Allerdings machen es sich die Forscher ziemlich einfach: Jeder Account, der im Durchschnitt mehr als 50 Botschaften zu einem bestimmten Schlagwort pro Tag verschickt, wird als Bot eingestuft. Es gibt sicher auch vereinzelt Menschen, die so viel schreiben.

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Andererseits fanden Forscher kürzlich ein Netzwerk aus 350 000 Bots, das seit 2013 weitgehend inaktiv ist. Die Wissenschaftler des University College London vermuten, dass das Netz auf einen Käufer wartet, der es dann zu seinen Zwecken einsetzen könnte. Um das Ausmaß des Phänomens grob abzuschätzen, mag die Methode der Oxford-Forscher also genügen. Für eine wirkungsvolle Regulierung müsste zunächst eine zuverlässigere Methode entwickelt werden.

Es gibt keine Belege, dass Social Bots wirklich Wähler beeinflussen

Vorher wäre aber noch zu klären, ob von den Social Bots überhaupt eine Gefahr ausgeht. Einer Antwort auf diese Frage versuchten sich in der vergangenen Woche gleich zwei Gremien des Bundestags zu nähern: Zuerst der Digitalausschuss, dann der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Beide hatten eine Menge fachkundiger Experten geladen, die teilweise sehr unterschiedliche Meinungen vertraten.

Der anerkannteste Experte für Social Bots dürfte in Deutschland Simon Hegelich sein, Politikwissenschaftler an der TU München. Er hat für die Konrad-Adenauer-Stiftung eine Studie zum Thema geschrieben und arbeitet nun an einem Bericht im Auftrag des Bundestags. "Es gibt eine umfassende empirische Grundlage, dass Social Bots inzwischen überall auftauchen und an allen Diskursen in den sozialen Netzwerken teilnehmen", sagt Hegelich. Ob das aber wirklich die Willensbildung beeinflusse? "Da muss man sehr vorsichtig sein." Belegen lässt sich das bisher nicht.

Aber es lässt sich ja auch kaum nachweisen, welchen Einfluss beispielsweise ein Wahlplakat oder ein Fernsehspot im Einzelfall auf die Urteilsbildung der Wähler hat. Viele Bot-Netzwerke nutzen allerdings nur die Aufmerksamkeit laufender Debatten, um unter den entsprechenden Schlagworten ganz profanen Spam zu verbreiten. Das ist zwar ärgerlich, aber harmlos.

Social Bots sind nur das Symptom eines Vertrauensverlusts

Dirk Helbing, Professor an der Eidgenössisch-Technischen Hochschule in Zürich, sieht in den Bot-Netzwerken eine reale Gefahr. "Es ist wie beim Doping", sagt er, "schwer nachweisbar, aber trotzdem schädlich." Geschickt und in großer Zahl eingesetzt, seien Social Bots in der Lage, eine Debatte zu verschieben und so "einen sozialen Klimawandel zu verursachen", sagt Helbing.

Mit einer kleinen Rechnung versucht Linus Neumann, Sprecher des Hackervereins Chaos Computer Club, den Bildungsausschuss von der Harmlosigkeit des Phänomens zu überzeugen. Es gebe in Deutschland höchstens vier Millionen Twitter-Nutzer. Selbst wenn es gelänge, fünf Prozent davon zu beeinflussen, seien das weit weniger als ein Prozent der Wähler. "Allein die Idee, dass damit Wahlen manipuliert werden könnten, übersteht den Lachtest nicht", sagt Neumann. Social Bots seien nicht das Problem, sondern höchstens Symptom "eines Vertrauensverlusts in Politik und Medien". Dieses Vertrauen gewinne man nicht zurück, wenn man jetzt ein "Wahrheitsministerium" errichte. Allerdings gilt Twitter als Kanal, auf dem vor allem einflussreiche Personen wie Politiker, Wissenschaftler und Journalisten unterwegs sind. Jene zu beeinflussen, könnte indirekt also doch größere Wirkung entfalten.

Dass sich die Debatte um Social Bots vor allem mit Twitter beschäftigt, sagt ohnehin wenig darüber, ob es auf anderen Plattformen wie Facebook, Instagram oder Snapchat nicht ähnliche Manipulationsversuche gibt. Twitter macht es schlicht einfacher als andere Netzwerke, die Daten über eine offene Schnittstelle auszulesen und zu verarbeiten. Deshalb ist dieser Dienst besser erforscht als die Konkurrenzangebote.

Einigkeit besteht unter den Wissenschaftlern und Abgeordneten, die sich mit dem Thema beschäftigen, eigentlich nur in einem Punkt: Der Aufstieg der Social Bots ist ein weiterer Grund, mehr für Medienkompetenz zu tun. Wirkung entfalten solche Accounts nur, wenn sie unbedarfte Nutzer fälschlicherweise für echt halten. Eine Kennzeichnungspflicht und ähnliche Ideen bleiben dagegen verzweifelte Versuche, Ordnung ins Internet zu bringen.

© SZ vom 31.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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