So funktionieren die US-Vorwahlen:Das Privileg der kleinen Staaten

Ein großer Moment für das kleine Iowa: Bis zu drei Millionen Bürger dürfen als erste über die republikanischen Präsidentschaftskandidaten abstimmen. Am Ende stellt der Staat zwar nur wenige Delegierte, aber wegen des frühen Termins schaut die ganze Welt auf ein paar Republikaner in Turnhallen und Wohnzimmern.

Christian Wernicke, Washington

Alle vier Jahre erleben Iowas Bürger ihr Rendezvous mit der großen Politik: In Turnhallen und Gemeindezentren, im Kirchensaal oder schlicht im größten Wohnzimmer des einsamen Heimatdorfes trifft sich das Wahlvolk zur Urabstimmung über den potentiell nächsten Präsidenten der Weltmacht. Punkt sieben Uhr abends, an exakt 1774 verschiedenen Orten im Drei-Millionen-Staat, beginnt der "Caucus", die lokale Wahlversammlung. Mitmachen darf theoretisch jeder: Zwar schreiben die Statuten vor, dass nur Parteimitglieder Stimmrecht besitzen - aber per Blitzregistratur am Eingang kann jeder Unabhängige und sogar jeder Demokrat noch rechtzeitig zum Republikaner konvertieren.

Gingrich Campaigns In Iowa Ahead Of Caucuses

Ein großer Tag für Iowa: Der Drei-Millionen-Staat stimmt als erster über die republikanischen Präsidentschaftskandidaten ab.

(Foto: AFP)

Nur die "Grand Old Party" sucht dieses Jahr ihren idealen Kandidaten - die Demokraten haben ihren Amtsinhaber Barack Obama. Anders als bei einer "Primary", bei der Vorwähler einen ganzen Tag Zeit zum anonymen Urnengang haben, ist der Caucus eine Nachbarschaftsversammlung, bei der auch diskutiert wird: Zu Beginn werben Vertreter aller Kandidaten mit kurzen Reden nochmals für ihren Favoriten, erst danach wird abgestimmt.

Iowas Demokraten verlangen ihren Mitgliedern sogar ab, sich per Gruppenbildung im Raum sichtbar für alle Freunde und Verwandten zu einem Kandidaten zu bekennen. Die Republikaner hingegen lassen nur simpel abstimmen. Erfahrungsgemäß raffen sich etwa 20 Prozent der 613.000 Republikaner zum Caucus auf. Es sind vor allem die stramm Überzeugten, die kommen.

Iowa ist mächtig, weil es das erste Signal setzt im nationalen Vorwahl-Marathon. Rein formal jedoch besitzt der Staat im Mittleren Westen nur sehr begrenzten Einfluss: Lediglich 28 der insgesamt 2286 Delegierten, die beim Wahlparteitag der Grand Old Party in Florida Ende August offiziell ihren Präsidentschaftskandidaten aufs Schild heben werden, stammen aus Iowa. Erst im Frühjahr wird eine Parteikonferenz bestimmen, wer als Delegierter nach Tampa Bay reisen darf - und alle Kampagnen werden darauf achten, dass die Emissäre getreu und strikt proportional das Wahlergebnis vom 3. Januar widerspiegeln.

Das Rennen soll spannend bleiben

Das ist ein neuer Trend bei der innerparteilichen Willensbildung der Republikaner. Um das medial überragende Gewicht der frühen Vorwahl-Staaten wie Iowa und New Hampshire (10. Januar), South Carolina und (21.1.) und Florida (31.1.) zu schmälern, hat die Parteizentrale angeordnet, dass alle Bundesstaaten mit Primaries vor dem 1. April ihre Delegierten grundsätzlich proportional auf die verschiedenen Kandidaten verteilen müssen. Das soll das Rennen um die republikanische Macht spannend halten.

Nur, die Praxis sieht anders aus. Florida, der größte Bundesstaat unter den ersten vier Vorwahlstaaten, missachtet die Regel brüsk (und muss keine weitere Strafe fürchten, weil es wegen seines unbotmäßig frühen Wahltermins eh nur 50 statt 99 Delegierte stellen darf). Zudem zeigt eine genaue Analyse der 50 Bundesstaats-Parteien, dass kein einziger der zehn zuerst votierenden Landesverbände sein internes Wahlrecht verändert hat. Die ersten wollen ihre Privilegien nicht teilen.

Wichtiger als die vertrackten Statuten, so glaubt der Politikwissenschaftler Josh Putnam, sei deshalb der veränderte Kalender: Der "Super Tuesday", an dem immerhin zwölf Bundesstaaten ihre Delegierten bestimmen, findet dieses Jahr erst am 6. März statt, einen vollen Monat später als noch 2008. Und auch dann werden erst 40 Prozent aller Delegiertenstimme vergeben sein - zumindest mathematisch bliebe also noch genug Zeit für eine späte Wende.

Doch das sind Rechenspiele. Die politische Dynamik sieht anders aus. Falls Mitt Romney in Iowa und New Hampshire siegt, prophezeien Insider allen anderen Anwärtern ein jähes Ende. Dann begänne der eigentliche Republikaner-Kampf schon sehr bald - alle vereint gegen Barack Obama, um ihn bei der Wahl am 6. November zu besiegen.

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