Süddeutsche Zeitung

Snowden-Dokumente:Briten spionierten Klimagipfel aus

  • Einer dänischen Zeitung zufolge hat der britische Geheimdienst GCHQ beim Klimagipfel in Mexiko 2010 einen Mitarbeiter in Großbritanniens Delegation eingeschleust.
  • Auch für andere Klimakonferenzen interessierten sich die Spione.
  • Ziel der Spionage war offenbar eine verbesserte Verhandlungsposition, um Nachteile für die eigene Wirtschaft zu vermeiden.

Von Markus C. Schulte von Drach

Um Vorteile bei den Verhandlungen auf den Klimagipfeln im dänischen Kopenhagen 2009 und in Cancún, Mexiko, 2010 zu erlangen, hat der britische Geheimdienst GCHQ andere Konferenzteilnehmer offenbar vor und während der Konferenzen im großen Rahmen ausspioniert.

Das berichtet die dänische Tageszeitung Dagbladet Information unter Berufung auf ein Dokument, das der US-Whistleblower Edward Snowden veröffentlicht hat.

Bereits Anfang des Jahres hatte das Blatt berichtet, dass der US-Geheimdienst NSA die Teilnehmer der Konferenz in Dänemark belauscht hatte. Doch offenbar waren die Amerikaner nicht die einzigen, die wissen wollten, mit welchen Plänen andere Regierungen nach Kopenhagen kommen würden.

Die britischen Spione schöpften offenbar Daten ab, die zum Beispiel über Internet-Glasfaserkabel ausgetauscht wurden, die sie angezapft hatten. Wie bereits zuvor bekannt wurde, hatte die dänische Regierung im Vorfeld der Klimakonferenz keine besonderen Maßnahmen gegen Cyber-Spionage getroffen. Deshalb waren auch vertrauliche Informationen im Zusammenhang mit dem Gipfel etwa über E-Mails unverschlüsselt verschickt worden.

Darüber hinaus nutzten die Briten auch die Gelegenheit, dass sich im Vorfeld der Konferenz die G20-Staaten in London trafen. Wie der britische Guardian bereits 2013 berichtete, hatten sich die GCHQ-Experten in Blackberrys der Delegierten gehackt. Außerdem waren Internet-Cafés so präpariert worden, dass die Spione E-Mails mitlesen, aber auch an Passwörter der Konferenzteilnehmer kommen konnten.

Spion als Delegationsmitglied

Bislang nicht bekannt war allerdings, dass auf diese Weise auch Informationen in Bezug auf den bevorstehenden UN-Gipfeln zum Klima in Dänemark und Mexiko gesammelt wurden. Was der Geheimdienst nach dem September 2009 tatsächlich unternahm, ist nicht klar, da das Dokument - eine Powerpoint-Präsentation aus dem Jahr 2011 - nur die Zeit von April bis September abdeckt. Eine wichtige Information verrät die Präsentation allerdings noch: "Why did we decide to send someone to Cancun?", heißt es dort. Ein Mitarbeiter des GCHQ 2010 war demnach als Teilnehmer der britischen Delegation zum Gipfel in Mexiko gereist. Und auch für die Konferenzen in südafrikanischen Durban 2011 und in Doha, Katar, 2012 interessierten sich die Verfasser der Präsentation.

Meist rechtfertigen Regierungen die Überwachungsmaßnahmen der Geheimdienste mit dem Kampf gegen den Terror. 2009 und 2010 ging es jedoch darum, sich vor den schwierigen Diskussionen über den Kampf gegen die Erderwärmung Vorteile zu verschaffen und sich in die beste Verhandlungsposition zu bringen. Sprich: Es ging darum, Nachteile für die eigene Wirtschaft möglichst zu vermeiden.

Die Konferenz in Kopenhagen gilt als katastrophal gescheitert. In den Verhandlungen hatten sich Teilnehmer wie die USA und China bemüht, möglichst geringe Beiträge zur Verringerung der Klimagase zuzusagen - und zwar unverbindlich. Der Klimawissenschaftler Hans Joachim Schellhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgeforschung hatte danach von einem "Klimabasar" gesprochen, auf dem "jeder versucht, so wenig zu geben, wie er kann". Die Position anderer Konferenzteilnehmer zu kennen, kann da natürlich hilfreich sein.

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