Süddeutsche Zeitung

Wahl in Slowenien:Mit Freiheit punkten

Der Quereinsteiger Robert Golob hat gute Chancen, den rechtskonservativen Premier Janez Janša am Sonntag auf Platz zwei zu verweisen. Wer eine tragfähige Koalition zustandebringt, ist eine andere Frage.

Von Tobias Zick

Der Mann, der Slowenien zurück auf einen Kurs der Mitte führen will, versteht es, sich zu inszenieren. Halblanges, gewelltes graues Haar, Anzug, sanfte Stimme und Gesten: "zwischen Hippie und Yuppie", so beschreibt ihn der konservative Publizist und Soziologe Bernard Nežmah. Der Herausforderer lasse die anderen Kandidaten sich bewusst in polemischen Fernsehduellen verschleißen, er selber erwecke den Eindruck, über den Dingen zu schweben, mit seiner eigentümlichen Gestik, die Hände gen Himmel hebend, "wie ein griechischer Gott".

Robert Golob räumen Umfragen Chancen ein, an diesem Sonntag die Wahl zu gewinnen. Er ist bekannt geworden als Topmanager, der fünf Jahre lang den teilstaatlichen Stromkonzern Gen-I leitete, bevor er vergangenen Herbst von seinem Führungsposten abgewählt wurde. Eine Entscheidung, die linke Kommentatoren wie auch er selbst als politisch motiviert bezeichneten - und die ihn nach eigener Aussage dazu bewog, als Kandidat einer kürzlich gegründeten kleinen grünen Partei anzutreten. Oder, wie er es ausdrückte: "ein neues Abenteuer anzugehen".

Die Partei, die bis dato "Grüne Aktionspartei" hieß, benannte er erst einmal um, sie heißt jetzt "Freiheitsbewegung", was offenkundig zum einen eine programmatisch breitere Aufstellung suggerieren soll, zum anderen ein in weiten Teilen der Bevölkerung immer stärker schwelendes Grundbedürfnis ansprechen soll. Die Freiheit als solche ist nämlich ein Gut, das unter der derzeitigen Regierung zuletzt keinen allzu starken Stand gehabt hat.

Die US-amerikanische Nichtregierungsorganisation Freedom House, die regelmäßig den Grad an Demokratie und Freiheit in den Ländern der Welt analysiert, stellt in einem gerade veröffentlichten Bericht fest, dass unter den 29 darin untersuchten europäischen und asiatischen "Transit"-Ländern zuletzt keines in den Vergleichswerten derart rasant abgestiegen sei wie Slowenien: Die Regierung um Premierminister Janez Janša habe "das Parlament kaltgestellt und beträchtlichen politischen und finanziellen Druck auf Organisationen der Zivilgesellschaft, öffentliche Medien, die Justiz sowie die Europäische Staatsanwaltschaft ausgeübt".

Janša wurde schon im letzten Wahlkampf von Orbán unterstützt

Der "kämpferische" Politikstil von Janša, so die Autoren des Freedom-House-Reports, diene unter anderem offenkundig dazu, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von Verdachtsmomenten auf Korruption innerhalb der Regierungspartei SDS abzulenken, zudem offenbare dieser Stil eine "illiberale Intoleranz gegenüber jeglicher Kritik".

Das Wort "illiberal" in der Diagnose ist offenkundig eine Referenz an das von Ungarns Premier Viktor Orbán ausgerufene Konzept der "illiberalen Demokratie", das er seit Jahren auf den Balkan zu exportieren sucht, unter anderem indem ihm nahestehende Firmen in den jeweiligen Ländern Medienhäuser aufkaufen. Janez Janša, der schon im letzten Wahlkampf von Orbán unterstützt worden war, pflegt zu seinem ungarischen Bruder im Geiste immer wieder eine demonstrative Nähe, etwa wenn es um Tiraden gegen die EU-Institutionen geht.

Kürzlich aber, der Wahlkampf war bereits in vollem Gange, distanzierte er sich schon rein physisch von Orbán: Zusammen mit den Ministerpräsidenten Polens und Tschechiens fuhr er Mitte März überraschend mit dem Zug nach Kiew, in die von der russischen Armee belagerte Hauptstadt der Ukraine, um deren Präsidenten Wolodimir Selenskij einen Solidaritätsbesuch abzustatten. Es war ein starkes gemeinsames Signal gegen den russischen Angriffskrieg - dem sich Viktor Orbán, der im Verhältnis zu Putin weiterhin zwischen Nähe und Distanz schlingert, nicht anschloss.

Ein Nebeneffekt des Kiew-Besuchs für Janša war denn auch, dass die im eigenen Land erhobene Kritik an seiner notorischen Orbán-Nähe für den Rest des Wahlkampfes weitgehend vom Tisch war. Seine Partei SDS scheute sich im Anschluss der Reise auch nicht, diese für ihre Kampagne auszuschlachten: In einem in sozialen Medien verbreiteten Wahlkampfspot waren ein Bild des ukrainischen Präsidenten Selenskij an der Front des aktuellen Krieges und eines von Janša in Militäruniform aus dem Jahr 1991 hintereinander montiert (seinerzeit führte er die slowenischen Truppen im Unabhängigkeitskrieg gegen die Jugoslawische Volksarmee). Der Slogan dazu: "Helden fliehen nicht, Helden kämpfen".

Der Premier verspricht auf sehr großen Plakaten schlicht "Sicherheit"

Neben dem Schwelgen im Ruhm der Vergangenheit verspricht Janša dem Wahlvolk jetzt auf sehr großen Plakaten schlicht "Varnost" (Sicherheit). Und beruft sich auf die Wirtschaftsdaten, die von wachsenden Investitionen und vergleichsweise niedriger Arbeitslosigkeit zeugen; das Wirtschaftswachstum betrug im vergangenen Jahr 8,1 Prozent.

Herausforderer Robert Golob war in der Schlussphase des Wahlkampfes zuletzt durch eine Covid-Infektion eingeschränkt. Seine Partei dürfte aber davon profitieren, dass zivilgesellschaftliche Organisationen die Bürger generell dazu aufrufen, wählen zu gehen. Die Wahlbeteiligung, das zeichnet sich schon bei den im Vorfeld abgegebenen Stimmen ab, dürfte deutlich höher liegen als beim letzten Urnengang vor vier Jahren. Jüngsten Umfragen zufolge können Janšas SDS und Golobs Freiheitsbewegung jeweils mit etwa einem Viertel der Wählerstimmen rechnen, mit knappem Vorsprung für Letztere.

Unklar ist allerdings, welche Kleinparteien den Einzug ins Parlament schaffen und welche Bündnisoptionen sich dann ergeben. Durchaus möglich also, dass Janez Janša, selbst wenn er als Zweitplatzierter aus der Wahl hervorgeht, seinem Land und dem Rest der EU für die kommende Legislaturperiode erhalten bleibt.

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