Slowenien:Praktisch handlungsunfähig

Slowenien wird den Vorsitz im Rat der Europäischen Union übernehmen. Ministerpräsident Janez Janša liegt mit der EU allerdings im Clinch.

Slowenien wird den Vorsitz im Rat der Europäischen Union übernehmen. Ministerpräsident Janez Janša liegt mit der EU allerdings im Clinch.

(Foto: Ludovic Marin/AFP)

Wenige Wochen ehe das kleine Land den Ratsvorsitz in der Europäischen Union übernimmt, geht es bei Regierung drunter und drüber.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

In wenigen Wochen, am 1. Juli, wird Slowenien mit seinem rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Janez Janša die rotierende Ratspräsidentschaft in der EU übernehmen. Damit rückt das Zwei-Millionen-Einwohnerland für sechs Monate noch mehr in den Fokus der europäischen Öffentlichkeit: Angriffe auf die Pressefreiheit und politische Gegner durch den Regierungschef hatten zuletzt die Schlagzeilen über Slowenien im Ausland dominiert.

Auch mit der EU liegt Janša im Clinch. So hatte er sich etwa im vergangenen Herbst im Streit über die Einführung einer Rechtsstaatskonditionalität für den EU-Haushalt auf die Seite Polens und Ungarns gestellt. Und bis heute hat Slowenien auch keine Personalvorschläge für die EU-Staatsanwaltschaft gemacht, die in Kürze ihre Arbeit aufnehmen soll; Polen und Ungarn verweigern die Mitarbeit ganz.

Jetzt dürfte in Brüssel, wo man sich seit Monaten um die innenpolitische Stabilität in Ljubljana sorgt und über die Ausfälle Janšas gegen die EU wundert, die Irritation noch wachsen. Denn Slowenien befindet sich, einmal wieder, in einer schweren Regierungskrise. Zwar ist die Zahl eigener oder eigenwilliger Vorstöße in einer Ratspräsidentschaft durch Vorabsprachen sowie den Einfluss der großen EU-Länder begrenzt. Das jeweilige Land leitet Sitzungen und Tagungen des Rates und sorgt für die Kontinuität in der täglichen Arbeit; zugleich gibt ein Trio aus dem vorangegangenen, dem gegenwärtigen und dem nächsten Vorsitz, das aktuell aus Deutschland, Portugal und Slowenien besteht, Schwerpunkte vor - derzeit sind das, unter anderem, Westbalkan, Klima, Digitales, China.

Ein Misstrauensvotum folgt auf das andere

Dennoch wäre ein Ministerpräsident ohne Regierungsmehrheit, der womöglich während der Ratspräsidentschaft in den Wahlkampf ziehen muss, ein ziemlicher Albtraum. Aber genau das könnte passieren. Schon seit dem vergangenen Winter und dem Austritt der Partei DeSUS aus der Mitte-rechts-Koalition laviert sich der Ministerpräsident mit einer Minderheitenregierung durch die Pandemie. Ein Misstrauensantrag und der Versuch, DeSUS-Chef Karl Erjavec zum neuen Regierungschef zu wählen, scheiterte im Februar. Seither folgt ein Misstrauensvotum der Opposition gegen Kabinettsmitglieder auf das andere, das Stimmverhalten der Opposition ist dabei völlig erratisch, die Regierungsparteien stimmen teils dagegen, teils gar nicht ab.

Ein Höhepunkt des parlamentarischen Schlagabtausches war im März der Versuch, den amtierenden Parlamentspräsidenten Igor Zorčič abzuwählen, welcher dem Koalitionspartner SMC angehört hatte, aber gemeinsam mit zwei weiteren Abgeordneten aus der Partei ausgetreten war. Die Koalition forderte den Rücktritt von Zorčič, weil er schließlich als Vertreter der SMC und damit eines politischen Partners gewählt worden sei, doch der Parlamentspräsident weigerte sich. Letztlich bekam die Regierung für ihren Antrag keine Mehrheit.

Die jüngste Eskalation war eine Parlamentssitzung am Montag, auf der die Opposition den Antrag auf ein Amtsenthebungsverfahren Janšas sowie auf vorzeitige Neuwahlen stellen wollte, und die Regierungskoalition wiederum einen erneuten Antrag auf Abwahl des Parlamentspräsidenten. Die Sitzung war allerdings nur kurz und ging aus wie das Hornberger Schießen, weil sich mit 42 zu 42 Stimmen keine Mehrheit unter den 90 Abgeordneten für eine Tagesordnung fand. Janša nannte die Ereignisse "völlig absurd", die Opposition fordert nun eine Sondersitzung, um jene Neuwahlen zu beschließen, die der Ministerpräsident verweigere.

Die Zeitung Delo bezeichnete die Regierung als "handlungsunfähig" und mutmaßt, dass sich die Polarisierung vor den Feierlichkeiten für den 30. Jahrestag der Unabhängigkeit im Juni und der Ratspräsidentschaft noch verstärken werde. Janša müsse jetzt selbst die Vertrauensfrage stellen.

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