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Slowakei stimmt über Euro-Rettungsschirm ab:Mehr als eine nationale Frage

Alle Welt schaut nach Bratislava. Als letztes Euro-Land muss die Slowakei dem Rettungsschirm zustimmen - und bis zuletzt kämpft die Regierung um die Mehrheit. Die EU muss nun Druck auf die slowakischen Abgeordneten ausüben - und notfalls die sozialdemokratische Opposition bei ihrer Eitelkeit packen.

Klaus Brill, Bratislava

Es war bekanntlich Andy Warhol, der die Oberflächlichkeit und Flüchtigkeit des modernen Medienbetriebs mit der Sottise umriss, in diesem System könne jeder für 15 Minuten berühmt werden. Warhols Familie stammt aus dem Osten der Slowakei, und an diesem Dienstag gilt sein Spruch für das ganze Land. Wenn in Bratislava das Parlament über den erweiterten Euro-Rettungsschirm befindet, dann hat es für kurze Zeit die Aufmerksamkeit von Regierungen, Börsenmaklern und Journalisten in aller Welt. Stimmen die Abgeordneten mehrheitlich mit Nein, so wäre das Unternehmen Rettungsschirm der Euro-Länder gescheitert - vorerst.

Bekanntlich sind die Führer der EU höchst kreativ, wenn es gilt, Entscheidungen von Parlamenten oder gar ganzen Völkern bei Referenden so lange umzudeuten und neu zu formatieren, bis am Ende das gewünschte Ergebnis vorliegt. So war es beispielsweise mit den Volksabstimmungen zur EU-Verfassung in den Niederlanden und in Irland. Und auch das Nein des slowakischen Parlaments vor einem Jahr zum ersten Griechenland-Paket wurde wegen Unerheblichkeit des slowakischen Beitrags übergangen.

Diesmal könnte Druck helfen. Er müsste die slowakischen Sozialdemokraten treffen, die den Rettungsschirm im Grunde gar nicht ablehnen und als bärenstarke Oppositionspartei nur mit Nein stimmen wollen, um die konservativ-liberale Vierer-Koalition wegen ihrer Uneinigkeit der internationalen Blamage preiszugeben. Vielleicht aber besinnen sie sich in letzter Minute, wenn alle Trümpfe ausgereizt sind, eines anderen. Sie könnten dann jedenfalls hoffen, in den gloriosen "15 minutes of fame" als Retter des Vaterlandes und des Euro dazustehen.

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Quelle:
SZ vom 11.10.2011/ros/mati
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