Slowakei:Zerrissen zwischen Ost und West

Slowakei: Vorbild und Hoffnungsträgerin der ganzen Region: die frühere Anwältin und Bürgerrechtlerin Zuzana Čaputová, seit 2019 Präsidentin der Slowakei.

Vorbild und Hoffnungsträgerin der ganzen Region: die frühere Anwältin und Bürgerrechtlerin Zuzana Čaputová, seit 2019 Präsidentin der Slowakei.

(Foto: Vladimir Simicek/AFP)

Der Streit um die Haltung zu Russland spaltet das Land tief: Während das Parlament über ein Abkommen mit den USA zur Nutzung slowakischer Militärflughäfen debattiert, gibt es vor der Tür Proteste.

Von Viktoria Großmann, München

Zuzana Čaputová hat genug von den Lügen. Die slowakische Präsidentin erwägt rechtliche Schritte gegen Oppositionspolitiker, die sie als "amerikanische Agentin" bezeichnen. Čaputová handle gegen die Interessen ihres Volkes, sie wolle Krieg mit Russland - das werfen ihr rechtsextreme und andere Oppositionspolitiker vor. Sie geben die Parolen vor für die Demonstranten, die in den vergangenen Wochen vor den Präsidentenpalast und das Parlament in Bratislava gezogen waren. Auch am Dienstag protestierten laut Medienberichten mehr als 3000 Menschen vor dem Parlament: "Stop USA Army" war auf Transparenten zu lesen.

Der Protest gilt einem Abkommen mit den USA, das es dem Nato-Verbündeten erlaubt, zwei Militärflughäfen in der Slowakei zu nutzen und auszubauen. Die Präsidentin hat dem Abkommen bereits zugestimmt. Es gehe um die Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht der Slowakei, sagte sie. Zugleich rief sie dazu auf, mit Russland im Dialog zu bleiben.

In der vergangenen Woche reisten der slowakische Außenminister und der Verteidigungsminister nach Washington, um den Vertrag zu unterzeichnen. Die Zustimmung des Parlaments am Dienstag sollte eigentlich eine bloße Formalie sein. Stattdessen wurde hitzig debattiert, die Abstimmung auf Mittwoch verschoben.

Denn um den Umgang mit dem russischen Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze ist in der Slowakei längst ein Meinungskrieg entbrannt, der die Bevölkerung entzweit. Am Dienstag schien es, als könnten auch Angehörige der Regierungsparteien den Vertrag noch ablehnen.

Wer sich nicht impfen lässt, lehnt auch die Nato ab

Betrieben wird die Polarisierung vor allem von den Oppositionsparteien - sie ringen um Aufmerksamkeit und Macht, fordern vorgezogene Neuwahlen. Analytiker warnen vor dem immer größer werdenden Einfluss der "Fake News". Die tschechischen Nachbarn schauen besorgt bis entsetzt auf die Vorgänge im einstigen Bruderland. Die slowakischen Kommentatoren wirken ratlos. Warum nur fordern die prorussischen Demonstranten, Solidarität unter Slawen - meinen damit aber nur die Russen, nicht die Ukrainer, mit denen die Slowaken gemeinsame Geschichte verbindet und heute noch eine knapp 100 Kilometer lange Grenze? Ein kleiner Teil der Westukraine einschließlich der Stadt Uschgorod gehörte zwischen 1918 und 1938 sogar zur damaligen Tschechoslowakei.

Umfragen unterstreichen den gefühlten Trend: Die slowakische Agentur Focus erfuhr, dass 34,7 Prozent der Befragten Russland für die derzeitigen Spannungen verantwortlich machen, aber 44,1 Prozent die USA sowie die Nato. Je älter die Befragten, desto verdächtiger erscheinen USA und Nato. Die jüngeren sind russlandskeptischer. Die prorussische Stimmung ist auf dem Land verbreiteter als in den Städten. Studien, auch aus Tschechien, legen zudem nahe: Wer sich gegen Covid impfen lässt, ist für die Nato. Umgekehrt lehnen Impfskeptiker auch die Nato ab.

Oppositionspolitiker hetzen gegen die USA und die Nato

Nicht einmal 50 Prozent der Bevölkerung sind vollständig gegen das Coronavirus geimpft. Dieselben Oppositionspolitiker, die zu Protesten gegen die Pandemie-Maßnahmen aufgerufen haben, hetzen nun gegen die USA und die Nato. Vorn dabei ist immer wieder Robert Fico. Der Vorsitzende der Partei Smer SD (Richtung Sozialdemokratie) hat in seinen insgesamt zehn Jahren als Ministerpräsident den Anschluss zum Westen gesucht, nun vertritt er ähnliche Meinungen wie die Rechtsextremen, mit denen er sich die Oppositionsbank teilt.

Regierung und Präsidentin lässt das nicht unbeeindruckt. Wochenlang rangen sie um eine klare Haltung zum Anliegen aus den USA, verfassten schließlich ein Zusatzabkommen, das die Gemüter beruhigen sollte. Etwa zu Fragen der Gerichtsbarkeit der US-Soldaten oder der Stationierung von Atomwaffen. Gegner des Abkommens hatten der Regierung vorgeworfen, die Slowakei zum Angriffsziel zu machen, wenn solche Waffen ins Land gebracht würden.

Slowakei: Gemeinsam besuchten die Außenminister von Österreich, der Slowakei und Tschechien die Ukraine. Von links Alexander Schallenberg, Ivan Korčok und Jan Lipavský.

Gemeinsam besuchten die Außenminister von Österreich, der Slowakei und Tschechien die Ukraine. Von links Alexander Schallenberg, Ivan Korčok und Jan Lipavský.

(Foto: Ukrainian Foreign Ministry Press Office/AP/dpa)

Demonstrativ besuchten die Außenminister der Slowakei und Tschechien am Montag und Dienstag gemeinsam die Ukraine, auch ihr österreichischer Kollege war dabei - was unter Politologen als Anzeichen für ein Alternativformat zur Visegrád-Gruppe wahrgenommen wurde. Schon lange gibt es laute Überlegungen, Österreich in die Vierer-Gruppe aufzunehmen - jetzt scheint ein guter Zeitpunkt zu sein. Während die Regierungen in Polen, Tschechien und der Slowakei ihre Unterstützung für die Ukraine signalisieren, sucht Ungarns Premier Viktor Orbán weiterhin die Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Dass diese prorussische Politik auch in der Slowakei Unterstützer findet, wurde nochmals in der Parlamentsdebatte am Dienstag deutlich. Da entrollten Rechtsextreme die slowakische Flagge, Regierungsmitglieder die ukrainische; Verteidigungsminister Jaroslav Naď hielt seine Rede unter Pfiffen von der Oppositionsbank.

Premier Eduard Heger äußerte sich in einem Gastbeitrag in der Zeitung Denník N am Dienstag hoffnungsvoll: "Ich glaube fest, dass die Mehrheit der Abgeordneten nicht dem Wahn der Opposition verfallen und Lügen und Desinformationen über den Verlust unserer Souveränität zurückweisen wird." Für die Sicherheit des Landes sei es wichtig, mit dem US-Militär zusammenzuarbeiten.

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