Süddeutsche Zeitung

Slowakei:Nachrichten ans Äffchen

Im Prozess um den Mord an dem Journalisten Ján Kuciak und seiner Freundin gibt es neue Beweise. Sie belasten den mutmaßlichen Auftrageber.

Von Viktoria Großmann

Im Prozess im Fall des ermordeten Journalisten Ján Kuciak sind neue Beweise aufgetaucht. Slowakische Medien veröffentlichten weitere Textnachrichten, die der mutmaßliche Auftraggeber des Mordes, Márian Kočner, versendet haben soll. Kočner soll danach bis kurz vorder Festnahme versucht haben, höchste Justizbeamte zu beeinflussen. Auch eine frühere Staatssekretärin im Justizministerium, die er "Äffchen" nannte - sie ist nun selbst im Gefängnis. Ende Juni 2018 wurde Kočner in U-Haft genommen - wegen Wirtschaftskriminalität. Zur Mordanklage kam es später. Mittlerweile ist Kočner im ersten Fall - gefälschte Wechsel in zweistelliger Millionenhöhe - zu 19 Jahren Haft verurteilt. Ján Kuciak hatte dazu recherchiert und wurde von Kočner bedroht. Im Februar 2018 wurden Kuciak und seine Verlobte erschossen.

Die neuen Beweise tauchten auf, während der Prozess gegen Kočner und weitere mutmaßliche Helfer am Mittwoch und Donnerstag fortging. Kočner äußerte sich erstmals länger: Es tue ihm "aufrichtig leid", was Kuciak und seiner Freundin passierte. "Was hätte ich davon, dass Ján Kuciak aufhört zu schreiben, wenn schon hundert weitere bereitstehen?", sagte er. "Einen Journalisten zu ermorden, seien Sie mir nicht böse, bedeutet in der Welt wohl mehr als den Papst zu ermorden. Nur ein völliger Idiot könnte nicht vorhersehen, was dann passiert."

Kočner war als einziger Angeklagter im Saal des Spezialstrafgerichtshofs in Pezinok. Wegen Corona ist der Zugang beschränkt, doch übertragen Medien einen Audio-Livestream der Verhandlung und berichten per Live-Ticker. Kočner soll mehrere Leute gezahlt haben, damit sie Kuciak und andere Journalisten ausspähen. Nach dem Mord kam es zu den größten Demonstrationen in der Slowakei seit 1989. Das überraschte Kočner und seine mitangeklagte Vertraute sehr, so zeigen Nachrichten, die sie austauschten.

Im Prozess wurden am Donnerstag Aufnahmen vorgespielt, in denen Kočner Kuciak und andere Journalisten beschimpft oder bedroht. Kočner erklärte, Kuciaks Artikel hätten keine Gefahr für seine Geschäfte bedeutet - Kočner soll 19 Millionen Euro besitzen. Er war schon lange Person öffentlichen Interesses in der Slowakei - und selbst medial tätig. So führte er das Internetportal "Am Pranger", wo er über Journalisten herzog oder herziehen ließ. Er habe sich nur gegen Unwahrheiten über sich wehren wollen, sagte er nun.

Dem bald 57-jährigen Kočner droht wegen des Mordauftrags lebenslange Haft. Er hatte Beziehungen in höchste Kreise, bis zu Ex-Premier Robert Fico. Vieles wurde bekannt durch Protokolle von Nachrichten, die Kočner über einen Chatdienst ausgetauscht hatte. Sie sind wichtige Beweise im Prozess. Ob die nun aufgetauchten Nachrichten auch verwendet werden, ist noch unklar. Im Mai geht der Prozess weiter.

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Quelle:
SZ vom 02.05.2020
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