Kulturkampf, das bedeutet in der Slowakei gerade wörtlich: Kampf gegen die Kultur. Geführt wird er von der populistischen Regierung unter Ministerpräsident Robert Fico. Dessen Kulturministerin entlässt nach Gutdünken die Leiter von Nationaltheater und Nationalgalerie, die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt wurde aufgelöst und neu gegründet. Gremien, die über die Verteilung staatlicher Kulturfördermittel entscheiden, werden mit fachfremden Parteigängern besetzt.
Beleidigungen, auch von Ministerpräsident Robert Fico persönlich, gegen die gesamte Kulturszene, zu der auch Journalisten gezählt werden, gehören in der Regierung zum normalen Ton. In den Worten Ficos verbreiten diese „Kaffeehaussitzer“ die „schädliche Ideologie“ von „Liberalismus und Progressivismus“.
Bisher werden für Bücher zehn Prozent Mehrwertsteuer erhoben
Der neueste Anschlag gilt dem gedruckten Wort. Der Staat braucht Geld und die dem Namen nach sozialdemokratische, populistische Partei Ficos will deshalb die Steuern erhöhen. So soll der maximale Mehrwertsteuersatz von 20 Prozent auf 23 Prozent angehoben – und in Zukunft auch auf den Kaufpreis von Büchern aufgeschlagen werden. Bisher sind es zehn Prozent.
Finanzminister Ladislav Kamenický rechtfertigte diese Idee so: „Bücher kaufen vor allem die reicheren Leute“, denen schade die Steuererhöhung nicht. Bücher als Luxusgut für wenige statt als Kulturgut für alle? Was Kamenický aus Sicht seiner Kritiker eigentlich gesagt hat, ist: Die Armen lesen ohnehin nicht, man braucht sich um ihre Bildung nicht zu bemühen. Bücher aber, so heißt es nun in einem offenen Brief der unabhängigen Buchhändler, seien „wesentlich für den Aufbau einer kultivierten, freien und selbstbewussten Gesellschaft“.
Auch Václav Havel war ein „Kaffeehaussitzer“
Damit schlagen die Buchhändler einen Bogen bis mindestens zurück in die Zeit der Aufklärung, als Lesen als grundlegend für den mündigen Bürger propagiert wurde. Und ebendiese Mündigkeit wurde durch alle Zeiten hindurch und nicht zuletzt in der kommunistischen ČSSR gefürchtet. Aus dieser Zeit stammt auch der heute wieder herabsetzend gebrauchte Begriff der „Kaffeehaussitzer“, angewendet etwa auf den Leser, Autor, Häftling und späteren Staatspräsidenten Václav Havel. Dessen Bücher wurden heimlich verbreitet oder konnten nur im Ausland erscheinen.
Heute lassen Premier Fico und seine Dreierkoalition wenig Zweifel daran, dass eine selbstbewusste Gesellschaft das Gegenteil von dem ist, was sie wollen. Fico und seine Minister verbreiten Lügen, leugnen die Corona-Pandemie und schieben die Schuld am Ukraine-Krieg der Nato zu.
Doch möglicherweise verärgert das Vorhaben der Mehrwertsteuererhöhung auf Bücher mehr Leute, als der Regierung lieb sein kann. Selbst der Fico nahe stehende Präsident Peter Pellegrini zeigte sich nicht begeistert. Ficos Aussagen von dieser Woche kann man so deuten, dass über das Vorhaben noch einmal diskutiert werden kann. Im offenen Brief der Buchhändler heißt es: „Ohne Leserinnen und Leser werden in dieser Gesellschaft auch diejenigen nicht gut leben, die keine Bücher lesen.“