Mordfall Ján Kuciak:Und noch ein Freispruch

Mordfall Ján Kuciak: Ján Kuciak und seine Freundin Martina Kušnírová sind in der Slowakei unvergessen.

Ján Kuciak und seine Freundin Martina Kušnírová sind in der Slowakei unvergessen.

(Foto: VLADIMIR SIMICEK/AFP)

Im Fall des Mordes an dem Journalisten Ján Kuciak und dessen Verlobter wird in der Slowakei der Hauptverdächtige erneut freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte lebenslänglich gefordert.

Von Viktoria Großmann, Warschau

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, darauf ruhen die Hoffnungen der Angehörigen an diesem Tag. Die Eltern von Ján Kuciak und Martina Kušnírová wollen in Berufung gehen. Zum zweiten Mal hat am Freitag der Spezialstrafgerichtshof in Pezinok in der Slowakei im Fall des Doppelmordes an dem damals 27 Jahre alten Journalisten und seiner Freundin geurteilt - erneut wurde der Hauptverdächtige frei gesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte für ihn lebenslänglich gefordert.

Über den früheren Geschäftsmann Marian Kočner war in den vergangenen Jahren seit dem Mord im Februar 2018 viel Privates öffentlich geworden. Etwa, dass er Robert Fico, der 2018 Premierminister war, "Chef" nannte. Dass Kočner ein zwielichtiger Unternehmer war, der vielfältige Beziehungen zu Politikern pflegte, wusste man vorher schon. Zu diesem Beziehungsgeflecht hatte Ján Kuciak recherchiert und auch schon publiziert. Kočner hatte Kuciak bedroht, der Journalist hatte das noch selbst bei der Polizei angezeigt. Dennoch sah es das Gericht nun erneut nicht als erwiesen an, dass Kočner selbst den Mord geplant und in Auftrag gegeben hatte. Wie während früherer Verhandlungen bekannt wurde, hatte Kočner in einer Textnachricht über Journalisten geschrieben: "Man müsste mal einen von ihnen richtig treffen, damit alle anderen Ruhe geben."

Kočner war bereits im September 2020 frei gesprochen worden. Der Oberste Gerichtshof hatte das Urteil aber aufgehoben und aufgrund weiterer Beweise eine neue Verhandlung angeordnet. Am Freitag wurde nun Kočners enge Vertraute Alena Zsuzsová zu 25 Jahren Gefängnisstrafe verurteilt. Sie wurde schuldig befunden, den Mord an Kuciak geplant und beauftragt sowie weitere Morde an zwei Staatsanwälten geplant zu haben. Sie war zuvor schon für den Auftrag zu einem Mord an einem Lokalpolitiker zu 23 Jahren Haft verurteilt worden. Kočner muss wegen Wechselbetrugs eine Freiheitsstrafe von 19 Jahren absitzen. Er und Zsuzsová hatten erneut jegliche Schuld von sich gewiesen.

Mordfall Ján Kuciak: Marian Kočner bei einer Gerichtsverhandlung im Juni 2021.

Marian Kočner bei einer Gerichtsverhandlung im Juni 2021.

(Foto: RADOVAN STOKLASA/REUTERS)

Der Doppelmord hatte 2018 die größten Demonstrationen in der Slowakei seit dem Wendejahr 1989 ausgelöst. Premier Robert Fico trat zurück, ein Jahr später wurde die Bürgerrechtlerin und Juristin Zuzana Čaputová zur Präsidentin gewählt, im Frühjahr 2020 verlor Ficos Partei dann die Parlamentswahl und musste in die Opposition.

Fico ist weiterhin Vorsitzender der dem Namen nach sozialdemokratischen Smer-SD. Er griff zunächst die Coronapolitik der Regierung an, rief zu Impfgegner-Demos auf. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine verbreitet er antiamerikanische Parolen, stellt sich auf die Seite Putins. Die Regierung hingegen unterstützt die Ukraine mit umfangreichen Waffenlieferungen. Am 30. September finden in der Slowakei vorgezogene Neuwahlen statt, Fico führt die Umfragen mit derzeit 18 Prozent Wählerzustimmung an.

Ján Kuciak wäre am Mittwoch 33 Jahre alt geworden. Kočner wurde am selben Tag 60 Jahre alt. Auch wenn er wegen seiner Verurteilung wegen Betrugs wohl erst mit Mitte 70 wieder auf freien Fuß kommt, reicht das den Eltern der Ermordeten nicht. Sie wollen sich an den Obersten Gerichtshof wenden. Schon vor der Urteilsverkündung hatte der Vater Kuciaks slowakischen Medien gesagt, es gehe ihm weniger um die Höhe der Strafe als darum, ein Wort der Reue zu hören.

Er sei enttäuscht, sagte nach dem Freispruch der Europaabgeordnete Michal Šimečka der Tageszeitung Denník N. Er ist Vorsitzender der liberalen Partei Progresívne Slovensko. "Als Politiker und Bürger müssen wir die Entscheidung des Gerichtes respektieren. Gleichzeitig befürchte ich, dass nach diesem Urteil das schreckliche Trauma weiterbestehen wird - für die Eltern der Opfer, aber auch für die Slowakei."

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