Slowakei:Strafverfolgung nach 26 Jahren

Slowakei: Der damalige Präsident Michal Kováč im März 1998 in Bratislava.

Der damalige Präsident Michal Kováč im März 1998 in Bratislava.

(Foto: Joe Klamar/REUTERS)

Gegen die mutmaßlichen Entführer eines Sohnes des früheren slowakischen Präsidenten wurde Europäischer Haftbefehl erlassen. Politiker sind erfreut über das EuGH-Urteil.

Mehr als 26 Jahre nach der Entführung eines Sohnes des damaligen Präsidenten Michal Kováč in der Slowakei können die Täter einem EuGH-Urteil zufolge EU-weit verfolgt werden. Ein Europäischer Haftbefehl in dem Fall sei trotz einer vorübergehend gültigen Amnestie grundsätzlich möglich, erklärte das Gericht am Donnerstag (Rechtssache C-203/20). Präsidentensohn Michal Kováč Junior war im August 1995 überfallen und im Kofferraum eines Autos nach Österreich verschleppt worden. Er ist heute 60 Jahre alt, sein Vater starb vor fünf Jahren.

Für die Entführung wurde der slowakische Geheimdienst SIS verantwortlich gemacht. Dieser war dem damaligen Regierungschef Vladimír Mečiar unterstellt, einem Gegner von Kováč. Noch bevor die konkreten Täter ermittelt werden konnten, erließ Mečiar 1998 eine Amnestie, die auch weitere Ermittlungen untersagte. Nach der Aufhebung der Amnestie 2017 wird der Fall neu aufgerollt. Ein slowakisches Gericht bat den EuGH um eine Einschätzung, ob ein Europäischer Haftbefehl unter diesen Umständen mit EU-Recht vereinbar sei.

Im Kern geht es um die Frage, ob eine Amnestie mit einem rechtskräftigen Freispruch gleichzusetzen ist. Normalerweise gilt der Grundsatz, dass niemand zweimal wegen einer Straftat rechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann. Nach Ansicht des Gerichts ist die Einstellung des Verfahrens zwar nach slowakischem Recht einem Freispruch gleichzusetzen, aber das steht einem Europäischem Haftbefehl trotzdem nicht im Wege. Der Grundsatz verhindere den Haftbefehl nur, wenn "die strafrechtliche Verantwortlichkeit der betroffenen Person geprüft wurde". Das Verfahren gegen die Täter sei aber eingestellt worden, bevor sich die slowakischen Gerichte zu der strafrechtlichen Verantwortlichkeit beschuldigter Personen hätten äußern können.

Eine Tat, die die Gesellschaft gespaltet hat

Somit müssen nun der damalige Chef des Geheimdienstes, Ivan Lexa, und weitere zwölf damals beschuldigte Personen befürchten, doch noch im Gefängnis zu landen.

Regierungsmitglieder und die Präsidentin der Slowakei, Zuzana Čaputová, zeigten sich erfreut über das Urteil aus Luxemburg. Čaputová, selbst Juristin, hält das Urteil für einen Durchbruch. "Endlich bekommen unsere Gerichte die Möglichkeit, diesen Fall zu untersuchen, der lange Jahre die Gesellschaft gespaltet hat und über die Schuld oder Unschuld der Angeklagten zu entscheiden."

In der Folge der Entführung wurde 1996 ein Hauptbelastungszeuge mit einer Autobombe getötet. Der Mord blieb bis heute unbestraft. Auch daran erinnerten die Politiker. Ministerpräsident Eduard Heger erklärte, das "Urteil dient unserer Gesellschaft aber auch dem Andenken des ermordeten Róbert Remiáš". Nun könnten die Verbrechen der Vergangenheit untersucht werden.

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