Süddeutsche Zeitung

Sklavenarbeit in Golfstaaten:Fast alles Fassade

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In Abu Dhabi sollen der französische Louvre und das amerikanische Guggenheim bald ein riesiges Konglomerat westlicher Kultur bilden. Doch auf der "Insel des Glücks" leben die Arbeiter wie Sklaven. Was sagt uns das über den Austausch der Kulturen, den Dialog zwischen Orient und Okzident?

Ein Kommentar von Sonja Zekri, Kairo

Also auch die Kultur. Nicht nur der Sport, auch Institutionen geistiger Inspiration ziehen seit Jahren in die aberwitzig reichen Golfstaaten; und nicht nur der Sport, sondern auch die Kultur bekommt damit ein Problem. In Abu Dhabi, wo der französische Louvre, das amerikanische Guggenheim und andere Filialen importierter Hochkultur auf einer "Insel des Glücks" ein riesiges Konglomerat westlicher Kultur bilden sollen, leben die Arbeiter wie Sklaven; müssen ihre "Einstellungsgebühr" abarbeiten, manchmal ein ganzes Jahr lang, müssen ihre Pässe abgeben, leben im Dreck, werden beim kleinsten Anzeichen von Unmut deportiert.

Das ist nicht neu, so wenig wie die Zwangsarbeit in anderen Golfstaaten. Ausländische Arbeiter sind meist dem Sponsorenprinzip unterworfen, das sie aller Rechte beraubt. Vor zwei Jahren schon drohten Künstler mit einem Boykott der neuen Hallen in Abu Dhabi. Sie wollten nicht in Häusern ausstellen, die ausgebeutete Arbeiter gebaut haben, hatte der libanesisch-amerikanische Künstler Walid Raad gesagt: Wer mit Ziegel und Mörtel arbeite, verdiene denselben Respekt wie jemand, der Kameras und Pinsel einsetze.

Was folgt in Abu Dhabi daraus für das Guggenheim von Frank Gehry, mit 30.000 Quadratmetern immerhin das größte Guggenheim der Welt, das Exponate aufnehmen kann, die sonst nirgends Platz haben, und das aussieht, als hätten Giganten ihren Bauklotzturm umgeworfen? Die Eröffnung des Guggenheim wie des Louvre von Jean Nouvel wurde verschoben. Die Zukunft des Meeresmuseums von Tadao Ando und des Performancezentrums von Zaha Hadid steht in den Sternen.

Rebellion gegen westliche Großspurigkeit?

Einheimische Museumsleute sollen gegen die westliche Großspurigkeit rebelliert haben, vielleicht werden auch die Mittel gekürzt. Andererseits heißt es verständnisvoll, die westlichen Häuser erhielten durch den Aufschub Zeit, ihre "Identität auf der lokalen und internationalen Bühne" zu entwickeln. Dass der Louvre seine Identität auf internationaler Bühne entwickeln muss, ist ein interessanter Gedanke. Vor allem zeigt er, dass der Austausch der Kulturen, der Dialog zwischen Orient und Okzident und was sonst noch an noblen Zielen bei derartigen Unternehmungen bemüht wird, gar nicht leicht ist.

Vor allem Architekten weisen bei Entwürfen für nicht ganz so freie Staaten leidenschaftlich darauf hin, dass doch gerade ihre Bauten zur Öffnung beitrügen. Als schaffe eine gläserne Fassade schon die Zensur ab. Als sei es nicht umgekehrt so, dass bestimmte Ideen in demokratischen Staaten mit ihrem kleinteiligen Genehmigungswahn nun einmal schwerer zu verwirklichen sind als unter den Bedingungen einer, sagen wir: klaren Hierarchie.

Die schöpferische Verführung der Diktatur

Architekten sind, wie alle Künstler, empfänglich für die schöpferische Verführung der Diktatur. Dass die Gastarbeiter von Abu Dhabi auf den Baustellen von Gehry und Nouvel darben, ist nur die logische Folge. Feudalistische Staaten funktionieren nach eigenen Gesetzen, die in Abu Dhabi nicht mal für die Migranten gelten.

Westliche Museen, auch Hochschulen, die nach Abu Dhabi oder Katar ziehen, lassen sich dies teuer bezahlen. Sie verkaufen eine Marke, einen Ruf, ein Zivilisationsversprechen. Die Öl- und Gas-Milliardäre in Abu Dhabi oder Doha wiederum geben ihre Milliardeninvestition als großzügige Frischzellenkur für eine erstarrte westliche Kulturlandschaft aus und hoffen ihrerseits auf Touristen, die sich nicht nur für Kamelreiten und Paragliding interessieren.

Dagegen ist im Prinzip nichts zu sagen, solange sich das Ganze im Rahmen des Marketings bewegt. Nur sollte man den zivilisatorischen Annäherungsfaktor realistisch bewerten - oder mal einen der Arbeiter auf der Insel des Glücks danach fragen.

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Quelle:
SZ vom 24.12.2013
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