Skandinavien:Die Finnen wählen eine neue Regierung

Alles deutet darauf, dass die Vielparteien-Koalition unter Premier Alexander Stubb abgelöst wird.

Von Silke Bigalke, Stockholm

"Niemals wieder", hat der finnische Ministerpräsident Alexander Stubb gesagt. Nie wieder würde er eine Koalition eingehen wie die, in der er die vergangenen vier Jahre verbrachte. "Ich glaube nicht, dass dies der Weg ist, wie wir ein Land regieren sollten", sagte er. Deutliche Worte wenige Wochen vor der Wahl. Stubb sprach immerhin von seiner eigenen Regierung. Viele Vorzeichen wiesen daraufhin, dass nach den Wahlen vom Sonntag seine konservative Nationale Sammlungspartei nicht mehr stärkste Kraft werden könnte.

Es lief gar nicht gut in Stubbs Regierungskoalition. Sie bildete sich 2011 aus sechs Parteien, also aus allen, die das Parlament hergab, bis auf zwei. Eine davon ist die konservativ-liberale Zentrumspartei, die zuvor acht Jahre den Premier stellte und dann eine große Niederlage erlitt. Das neue Gesicht der Partei ist Juha Sipilä, 2011 zog er erstmals ins Parlament ein, nun könnte er Premierminister werden.

Die zweite Oppositionspartei heißt "Die Finnen" oder "Wahre Finnen", ist populistisch bis rechtspopulistisch und gegenüber Europa kritisch bis feindlich. Sie hat Chancen, zweitstärkste Partei und an der Regierung beteiligt zu werden. Ihr Chef Timo Soini hofft auf ein Amt als Außen- oder Finanzminister. Beide Parteien profitieren davon, dass sie die vergangenen vier Jahre in der Opposition verbracht haben.

Finnish Prime Minister and leader of National Coalition Party Alexander Stubb casts his vote during the parliamentary election in Espoo

"Ich glaube nicht, dass das der Weg war, wie wir das Land regieren sollten": Finnlands vermutlich scheidender Premier Stubb als Wähler am Sonntag.

(Foto: Mikko Stig/Lehtikuva/Reuters)

Sie konnten der Regierungskoalition beim Scheitern zusehen: Interne Streitereien blockierten wichtige Reformen, zwei Parteien verließen die Koalition, und dann ging auch noch der Chef selbst. Premier Jyrki Katainen löste im Juni 2014 den finnischen Wirtschaftskommissar Olli Rehn in Brüssel ab. Die Finnen habe er enttäuscht, sagte Politikwissenschaftler Erkka Railo von der Uni von Turku. "Sogar der Premierminister verlässt das Land, ehe er seinen Job erledigt hat", formulierte er, was viele gedacht haben mögen. Den Job überließ Katainen im Juni kurzerhand Alexander Stubb. Im März scheiterte dann auch das wichtigste Reformprojekt der vergangenen Jahre, mit dem das Sozial- und Gesundheitswesen verschlankt werden sollte.

Dabei hätten die Finnen eine starke Regierung gebraucht, denn ihre Probleme sind so tief greifend, dass kleine Ausbesserungen nicht reichen. Finnland macht mehr Schulden als Brüssel erlaubt, die Arbeitslosigkeit liegt bei zehn Prozent, und es gibt nicht nur kein Wachstum, die Wirtschaft schrumpft seit drei Jahren. Schuld ist die Krise der finnischen Papierindustrie und des wichtigen Handelspartners Russland. Schuld auch der Nokia-Niedergang, auch wenn die Übernahme des französischen Wettbewerbers Alcatel-Lucent, den der Konzern nur Tage vor der Wahl ankündigte, den Finnen Hoffnung macht.

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Stubbs Antwort auf Finnlands Probleme war vor allem zu sparen. Um sieben Milliarden hatte die Regierung den Haushalt bereits gekürzt, weitere sechs Milliarden strebte er an. "Wir glauben fest an den nordischen Wohlfahrtsstaat und wir wollen ihn retten", erklärte er den harten Kurs. Das trauen die Finnen der Zentrumspartei und Juha Sipilä offenbar eher zu. Der frühere Geschäftsmann und Unternehmensgründer hat Millionen verdient, ehe er ins Parlament gewählt wurde. Seine Partei verspricht 200 000 neue Jobs, Steuern und Lohnkosten zu senken, das Wachstum anzukurbeln und weiter zu sparen, aber langsamer als bisher. "Ich habe viel Erfahrung, wie man große Veränderungen in Unternehmen managt", sagt Sipilä. "Ich denke, die Regeln sind die selben." Dem Politik-Newcomer kommt neben anderen EU-Parlamentarier Olli Rehn zu Hilfe, der sich als Wirtschaftskommissar in der Euro-Krise den Spitznamen "Mr. Austerity" verdient hat. Welchen Posten Rehn in der neuen Regierung einnehmen könnte, ist offen und kommt auf die Koalitionspartner an.

Die Ergebnisse der großen Parteien, Zentrumspartei, Sozialdemokraten, Nationale Sammlungspartei und, neu dazu gekommen, die populistische Partei der Finnen, liegen nicht sehr weit auseinander. Im konsensorientierten Finnland gibt es keine eingespielten Partner, fast jeder kann mit jedem zusammenarbeiten - solange nicht wieder zu viele Parteien mitmischen, wie nach der vorigen Wahl.

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