Skandal um verseuchtes Tierfutter:Dioxin-Grenzwert 78-fach überschritten

Der Skandal um verseuchtes Tierfutter eskaliert: Die verwendeten Futterfette sind viel giftiger als bisher angenommen. Südkorea verhängt ein Importverbot für deutsches Fleisch.

C. Gammelin und R. Wiegand

Die Futterfette der Firma Harles und Jentzsch aus Schleswig-Holstein enthielten laut Laboruntersuchungen bis zu 78-mal so viel Dioxin wie erlaubt. In neun von zehn Fällen war die Belastung zu hoch. Das teilte das Kieler Agrarministerium am Freitag mit. Die Firma gab zu, schon im März 2010 von verunreinigten Fettsäuren gewusst zu haben.

Eier werden auf Dioxin-Belastung überprüft

Eier werden auf Dioxin-Belastung überprüft: Ein Chemotechniker in einem der Labore des Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Oldenburg.

(Foto: dpa)

Im Zuge des Dioxin-Skandals hat Südkorea als erstes Land ein Importverbot für deutsches Fleisch verhängt. Ein Sprecher des EU-Gesundheitskommissars John Dalli bestätigte der Süddeutschen Zeitung, dass die Asiaten von der Kommission sogar ein offizielles Exportverbot verlangt hätten. Südkorea ist der viertgrößte Schweinefleisch-Importeur der Welt und führt erst seit kurzem deutsches Fleisch ein. Nun ist bereits versendete Ware wieder zurückgeschickt worden.

Grund für die Skepsis gegenüber den deutschen Fleischerzeugnissen sind die Dioxinfunde in Eiern und Futtermitteln. Am Freitag veröffentlichte das Landwirtschaftsministerium in Kiel neue Ergebnisse der bei Harles und Jentzsch in Uetersen sichergestellten Proben. Demnach ist mindestens seit 11.November 2010 Material zur Futtermittelherstellung verwendet worden, dessen Dioxingehalt das 78-fache des Grenzwertes betragen hat. Die Behörden stellten in den Geschäftsräumen der Firma 120 sogenannte Rückstellproben sicher, die nun nach und nach analysiert werden. Von den zehn am Freitag veröffentlichten Ergebnissen lagen neun über dem Grenzwert von 0,75 Nanogramm Dioxin pro Gramm.

Das Kieler Ministerium bestätigte außerdem, dass der Futtermittelhersteller durch sein eigenes Labor bereits im März 2010 über erhöhte Dioxinwerte informiert war. Das habe die Geschäftsführung inzwischen zugegeben. Zwar seien die Dioxinwerte, so ein Sprecher des Ministeriums, im März nur doppelt so hoch gewesen wie erlaubt und durch Vermischung verdünnt worden, weshalb das fertige Futter die zulässigen Werte erfüllt habe: "Es hätte aber nicht verwendet werden dürfen." Von staatlicher Seite sei Harles und Jentzsch 2010 einmal, im Juli, auf Dioxin kontrolliert worden - ohne Befund. Auch in den Jahren zuvor sei das Unternehmen nicht aufgefallen.

Hektische Betriebsamkeit in Brüssel

Experten in Niedersachsen und Schleswig-Holstein vermuten inzwischen, dass das beschuldigte Unternehmen sich selbst getestet haben könnte, um vor einer drohenden Grenzwertüberschreitung unbedenkliches Futter beimischen und so die Normen erfüllen zu können. Die Zusammenarbeit mit einer Spedition in Niedersachsen, die nicht als Futtermittelhersteller gemeldet war, aber Tierfutter mischte, könnte der Verschleierung gedient haben: Dort fanden keinerlei staatliche Kontrollen statt.

Die Europäische Kommission verzichtet vorerst darauf, eigene Inspektoren nach Deutschland zu schicken. "Es ist Aufgabe Deutschlands, die Situation zu klären", sagte ein Sprecher am Freitag. Dennoch hat auch in Brüssel eine hektische Betriebsamkeit eingesetzt. Bereits am Freitag kamen Experten zusammen, um eine mögliche Verschärfung der bestehenden Sicherheitsvorschriften zu prüfen.

Kommissar Dalli will die Kontrolle von Dioxinen in Futtermitteln verbessern. Fette für technischen Gebrauch dürften nicht mehr mit Fetten zur Futter- und Nahrungsmittelherstellung gemischt werden, sagte sein Sprecher. Dies müsse per Gesetz durchgesetzt werden.

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