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Skandal um geschredderte Rechtsextremismus-Akten:Berliner Verfassungsschutz-Chefin tritt zurück

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Die Berliner Verfassungsschutz-Chefin Claudia Schmid tritt zurück. Sie zieht damit die Konsequenzen aus dem Skandal um die Vernichtung von Akten zum Rechtsextremismus, die möglicherweise auch einen Bezug zur rechten Terrorzelle NSU hatten.

Die Berliner Verfassungsschutz-Chefin Claudia Schmid ist zurückgetreten. Sie zieht damit die Konsequenzen aus dem Skandal um die Vernichtung von Akten zum Rechtsextremismus, die möglicherweise auch einen Bezug zur rechten Terrorzelle NSU hatten.

CDU-Innensenator Frank Henkel hatte am Mittwoch im Verfassungsschutzausschuss des Abgeordnetenhauses unter Schmids Anwesenheit verkündet, dass Schmid ihn um eine Versetzung gebeten habe. "Ich habe dieser Bitte entsprochen", fügte er hinzu. Schmid hatte 2001 den Posten angetreten, zuvor kümmerte sich die gebürtige Berlinerin um den richtigen Umgang mit vom Verfassungsschutz gesammelten Daten

Auch der Referatsleiter für Rechtsextremismus, der für die jüngste rechtswidrige Vernichtung von Akten verantwortlich ist, müsse seinen Posten räumen und eine neue Aufgabe übernehmen. Henkel sagte, er wolle nun eine Diskussion um die strukturelle Neuausrichtung des Verfassungsschutzes anstoßen. Zudem wolle er generell eine größere "Personalrotation" ermöglichen.

Doch auch Henkel musste sich in dem Fall von der Opposition kritisieren lassen. Er hatte von der Aktenvernichtung bereits am 15. Oktober erfahren, die Information jedoch zurückgehalten, weil er den Vorgang nach eigenen Angaben zunächst prüfen wollte.

Unterlagen bereits 2010 vernichtet

Am Dienstag hatte Claudia Schmid einen weiteren Fall von rechtswidriger Aktenvernichtung in ihrer Behörde einräumen müssen. Im Juli 2010 seien Unterlagen zum Rechtsextremismus geschreddert worden, sagte Schmid in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz. Es habe sich um Akten über die rechtsextreme Organisation "Blood & Honour" gehandelt, die seit dem Jahr 2000 verboten ist.

Schmid bestätigte damit einen Bericht der Bild-Zeitung. Das Blatt hatte sich in seinem Bericht auf die Innenverwaltung bezogen. Demnach sollen die vernichteten Akten entgegen den Vorschriften nicht zunächst dem Landesarchiv vorgelegt worden sein. Die Archivare entscheiden normalerweise, welche Unterlagen aufbewahrt werden sollen und welche vernichtet werden dürfen.

Wie Bild berichtete, könnten die Akten für die Ermittlungen zur rechten Terrorzelle NSU relevant gewesen sein. Schmid ging dagegen nicht von einem Bezug des Materials zu dem Neonazi-Trio aus. Wann genau die Akten zerstört wurden und wer dies im Juli 2010 anordnete, konnte sie nicht sagen.

Offiziell handelt sich alles nur um ein Versehen

Sie selbst habe im August von dem Vorgang erfahren, sagte Schmid. Innensenator Frank Henkel sei von ihr aber erst am Montag informiert worden. Der CDU-Politiker unterrichtete am Dienstag die Innenexperten der Fraktionen im Abgeordnetenhaus. Sie habe die Brisanz damals nicht erkannt, weil der Vorgang vor der Diskussion um den NSU lag, begründete die Verfassungsschutz-Chefin ihr langes Schweigen. Personelle Konsequenzen lehnte sie zunächst ab.

Erst am 6. November hatten die Mitglieder des NSU-Bundestags-Untersuchungsausschusses und Berliner Abgeordnete davon erfahren, dass in der Verfassungsschutzbehörde im Juni 2012 Akten zum Rechtsextremismus geschreddert wurden, die eigentlich im Landesarchiv aufbewahrt werden sollten.

Darunter waren auch zwei Ordner über die rechtsextreme Band "Landser". Die verbotene Gruppe steht in direktem Zusammenhang mit dem mutmaßlichen NSU-Helfer Thomas S., der als V-Mann der Berliner Polizei Hinweise auf das rechtsextremistische Terrortrio geliefert hatte. Die Unterlagen waren zunächst von Archivmitarbeitern begutachtet und als aufbewahrungswürdig gekennzeichnet worden. Sie wurden später jedoch geschreddert. Offiziell handelte es sich dabei um ein Versehen.

Mit Schmid haben in diesem Jahr bereits fünf Leiter einer Verfassungsschutzbehörde infolge des Skandals um die Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) ihr Amt verloren.

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