Skandal in kommunistischer Partei:"Ferrari-Gate" schockt Chinas Mächtige

Voraussichtlich im Oktober werden in China die wichtigsten Ämter neu besetzt. Ausgerechnet jetzt wird die Kommunistische Partei von einem neuen Skandal erschüttert: Der Sohn eines hohen Funktionärs fuhr halbnackt mit einem teuren Sportwagen in den Tod.

Kai Strittmatter, Peking

Der März war kein guter Monat für Chinas Kommunistische Partei, und vielleicht ein noch schlechterer für Autoren von Groschenromanen und Politkrimis, deren wildeste Phantasien kaum Schritt halten können mit den Geschehnissen in der Volksrepublik.

Ling Jihua, Hu Jintao, Wen Jiabao

Mächtiger Funktionär Ling Jihua (hinten links), Premierminister Wen Jiabao (vorne links) und Staatspräsident Hu Jintao (rechts): Chinas Elite nutzt die Macht der Gerüchte.

(Foto: AP)

Der eine Skandal erschüttert die KP bis heute, er droht, den Führungswechsel im Herbst zu überschatten: Am 15. März stellte die KP einen ihrer mächtigsten und ehrgeizigsten Männer kalt, Bo Xilai, bis dahin Gouverneur von Chongqing, als Sohn eines einflussreichen Revolutionsveteranen zudem Mitglied der so privilegierten wie mächtigen Prinzenclique. Bos Frau, so erfuhr die staunende Welt, hatte dem britischen Geschäftsmann Neil Heywood, einem Freund der Familie, tödliches Gift in den Drink geträufelt.

Drei Tage später, in den frühen Morgenstunden des 18. März, geschah ein Unfall, dessen wahre Hintergründe erst jetzt durchsickern: Peking, nördliche vierte Ringstraße. Am Ende einer wilden Fahrt durch die Nacht liegt da das ausgebrannte Wrack eines schwarzen Ferrari. Der junge Mann am Steuer ist tot. Mit im Wagen zwei junge Frauen, sie überleben schwer verletzt. Laut Berichten sollen alle drei nur leicht bekleidet gewesen sein.

"Ferrari" ist in der Suche geblockt

Die Fotos des ausgebrannten Wagens erscheinen am nächsten Tag in Presse und Internet, die Identität des Toten aber erfährt niemand. Im Totenschein wird ein falscher Name eingetragen, schnell werden von der Zensur sämtliche Nachrichten, Fotos, Gerüchte und Anspielungen auf den Unfall im Internet und auf Chinas Mikroblogging-Diensten gelöscht, Suchanfragen nach dem Wort "Ferrari" werden seither blockiert.

Seit dieser Woche ist klar, warum: Dieser Unfall ist Sprengstoff für die KP. Der Tote ist der Sohn eines der mächtigsten Funktionäre der Volksrepublik China. Gerüchte hatte es schon länger gegeben, vor allem auf chinesischsprachigen Webseiten in Übersee.

Es war die gewöhnlich gut informierte Hongkonger Zeitung South China Morning Post, die am Montag unter Berufung auf hochrangige Quellen in Peking den Toten als Ling Gu identifizierte, Sohn des 55-jährigen Ling Jihua. Ling Jihua war der Chef des Sekretariats des Zentralkomitees der KP Chinas, eine Position vergleichbar dem Stabschef im Weißen Haus in Washington oder dem Kanzleramtschef in Berlin. Er gilt als einer der engsten Vertrauten von Hu Jintao, dem Generalsekretär der KP und Präsidenten der Volksrepublik.

Gesteigertes Entsetzen in der Bevölkerung

Hu Jintao wird sein Amt als Generalsekretär beim 18. Parteitag der KP abgeben, der wohl im Oktober stattfinden wird; offiziell wurde der Termin noch nicht bekannt gegeben. Es wird ein Parteitag, wie er nur einmal alle zehn Jahre stattfindet: Die wichtigsten Ämter des Landes werden dann neu besetzt. Seit Jahren und Monaten ringen verschiedene Fraktionen um Einfluss und Posten.

Der Skandal um Bo Xilai und der tödliche Unfall des Funktionärssohns bringen sorgfältig austarierte Kompromisse durcheinander. Hu Jintao will nach seinem Rücktritt als KP-Generalsekretär wichtige Posten mit seinen Leuten besetzt wissen, sein Vertrauter Ling Jihua sollte möglicherweise sogar in den Ständigen Ausschuss des Politbüros der KP aufrücken, den Zirkel der wahren Macht im Land. Am Wochenende kam die Nachricht: Ling Jihua wurde versetzt - er ist nun Leiter der unbedeutenden Einheitsfront und damit faktisch kaltgestellt.

Es ist auch kein Zufall, dass die pikanten Details der Geschichte ausgerechnet jetzt an die South China Morning Post weitergereicht wurden: Die gezielte Diskreditierung politischer Rivalen über die Presse ist längst auch in China Waffe im Machtkampf. Offiziell bestätigen lassen sich solche Geschichten meist nicht. Beobachter sehen in dem Skandal einen Rückschlag für die Fraktion von Hu Jintao.

KP droht erneut ein großer Imageschaden

Wenn nun aber die Unfallgeschichte auch noch in China selbst zirkuliert statt wie bislang nur in Hongkonger und ausländischen Medien - noch versuchen die Internet-Zensoren das zu verhindern - droht der KP erneut ein großer Imageschaden.

Schon jetzt herrscht in großen Teilen der städtischen Bevölkerung Entsetzen über Korruption und ausschweifenden Lebensstil der Führer des Proletariats. Die Geschichte der Todesfahrt eines angeblich halb nackten Kadersohnes und zweier Gespielinnen in einem umgerechnet mehr als eine halbe Million Euro teuren Ferrari dürfte selbst manche Zyniker noch überraschen.

Die Pekinger Global Times, die vom Parteisprachrohr Volkszeitung herausgegeben wird, warnte Anfang der Woche die Parteikader vor "ungebührlichem Benehmen", ihr Bild im Volk sei "angeknackst". Vergangene Woche erst machte ein Offizier von sich reden, der eine Flugbegleiterin misshandelt hatte, weil sie ihm nicht willfährig genug erschien.

Die Frau veröffentlichte Bilder von ihren Verletzungen auf Weibo, Chinas Version von Twitter, ein Sturm der Entrüstung folgte. "Die öffentliche Meinung", warnte das Propagandablatt Global Times, "ist so streng wie nie, wenn es um die Beschränkung der Machtausübung geht."

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