Sirte und der Krieg in Libyen:Kämpfer rücken nur langsam in Gaddafis Heimatstadt vor

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Wird Sirte, die Geburtsstadt des Despoten, kapitulieren? Die Rebellen bereiten sich auf einen weiteren Kampf vor. Doch auf ihrem Weg in die Hochburg der Gaddafi-Getreuen kommen sie nur mühsam voran. In Tripolis befreiten sie zehntausend Häftlinge aus den Gefängnissen - und nun ist auch noch eine der letzten Bastionen des alten Regimes im Ausland gefallen.

Nach der weitgehenden Eroberung von Tripolis rücken die libyschen Rebellen auf die Geburtsstadt des untergetauchten Muammar al-Gaddafi vor. Ob sich dieser dort aufhält, ist jedoch unbekannt. "Wir gehen langsam voran", sagte Rebellen-Sprecher Mohammad Sawawi. Den Verhandlungen über eine Kapitulation der Stadt müsse Zeit gegeben werden.

Rebellen haben Panzer in Misrata erobert und bereiten sie für eine mögliche Operation zur Übernahme Sirtes vor.  (Foto: REUTERS)

Derzeit verhandelt die Übergangsregierung mit Stammesführern in Sirte über eine friedliche Übergabe der Stadt. Gleichzeitig kämpfen sich Rebellen in Richtung Sirte vor, um die strategisch wichtige Stadt notfalls anzugreifen. Momentan gebe es allerdings nicht genug erfahrene Kämpfer für eine solche Operation, berichtet eine Korrespondentin des Nachrichtensenders al-Dschasira. Die Kämpfer seien noch damit beschäftigt, die eingenommene Hauptstadt Tripolis zu befrieden.

Nach dem Al-Dschasira-Bericht haben die Rebellen jetzt den Ort Nawfalija - rund 120 Kilometer westlich von Sirte - weitgehend unter Kontrolle. Nach Angaben eines Militärsprechers kontrollierten die Aufständischen inzwischen auch die Straße zwischen Tripolis und Sebha. Die umkämpfte Wüstenstadt in Zentrallibyen gilt als weitere Bastion der Gaddafi-Anhänger.

Gaddafi wurde 1942 in der Nähe von Sirte geboren. Während seiner Herrschaft baute er das verschlafene Fischerdorf zu einem bedeutenden Machtzentrum mit rund 100.000 Einwohnern aus. Er dürfte deshalb dort auch jetzt noch über große Unterstützung verfügen. Die Gaddafi-Hochburg ist nun auch zunehmend Ziel der Nato. Das Bündnis nahm die Stadt nach eigenen Angaben am Sonntag vermehrt unter Beschuss.

Die libyschen Rebellen drängen das Militärbündnis denn auch zu einer Fortführung des Engagements. Der Übergangsrat der libyschen Rebellen forderte die Nato auf, den Druck auf das Gaddafi-Regime aufrechtzuerhalten. Der Vorsitzende des Nationalen Übergangsrats, Mustafa Abdel Dschalil, sagte bei einem Treffen mit ranghohen Nato-Vertretern in Doha in Katar, Gaddafi sei immer noch in der Lage "Schreckliches" anzurichten. Ein Militärsprecher des Nationalen Übergangsrates sagte, auch nach dem Ende der Kämpfe seien die Rebellen auf die logistische und militärische Unterstützung der Nato angewiesen. Das Bündnis solle beispielsweise Arbeiten zur Instandsetzung der Strom- und Wasserversorgung absichern.

Zehntausend aus Gaddafis Gefängnissen befreit

Seit dem Einmarsch in Tripolis in der vergangenen Woche befreiten libysche Rebellen nach Angaben eines Sprechers mehr als 10.000 Häftlinge aus Gefängnissen Gaddafis. Rund 50.000 Menschen seien aber verschollen, sagte Rebellensprecher Ahmed Bani weiter. Es gebe Hinweise darauf, dass Truppen des Regimes angesichts des Einmarsches der Rebellen Dutzende Gefangene getötet hatten.

Die Versorgungslage in Tripolis bleibt unterdessen kritisch. Die Lebensmittelgeschäfte hätten wieder geöffnet, die Regale seien aber meist leer, berichtete al-Dschasira. Zudem fließe weiter aus den meisten Hähnen kein Wasser, Strom gebe es nur zeitweise.

Sicherheitskräfte der Rebellen sicherten derweil ein Lagerhaus, in dem am Wochenende Dutzende verkohlte Leichen - teils mit gefesselten Händen - gefunden worden waren. Anwohner berichteten, die Gaddafi-Truppen hätten in dem Gebäude Zivilisten gefangen gehalten. Als sie das Gelände nicht mehr hätten halten können, hätten sie das Gebäude angezündet.

Derweil hat als eine der letzten Bastionen des Gaddafi-Regimes im Ausland nun auch die Botschaft in Moskau die rot-schwarz-grüne Fahne der Rebellen gehisst. "Die Botschaft vertritt die Meinung des Volkes", sagte Konsul Ali Abu Bakr nach Angaben der Agentur Itar-Tass bei einer Zeremonie. Russland war für das Regime Gaddafis stets einer der wichtigsten Wirtschafts- und Rüstungspartner.

Frankreich eröffnete seine Botschaft in Tripolis wieder. Die Botschaft war bereits Ende Februar nach den ersten schweren Unruhen geschlossen worden. Frankreich hatte sich frühzeitig auf die Seiten der Rebellen gestellt und am 19. März die Bombenangriffe auf den Machtapparat des langjährigen Herrschers eröffnet.

© Reuters/dpa/AFP/dapd/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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