Sipri-Bericht zu Rüstungsfirmen:600 Milliarden US-Dollar für Waffen und Kriegsgerät

Sipri-Bericht zu Rüstungsfirmen: Eine russische Sarmat-Interkontinentalrakete bei einem Test im April 2022

Eine russische Sarmat-Interkontinentalrakete bei einem Test im April 2022

(Foto: Handout/AFP)

Trotz Corona-Krise, trotz Lieferketten-Problemen: Die 100 größten Rüstungskonzerne der Welt machen hervorragende Geschäfte - und in den neuen Zahlen des Stockholmer Sipri-Instituts sind die absehbaren Umsatzsteigerungen durch den Krieg in der Ukraine nicht einmal eingerechnet.

Von Oliver Klasen

Es ist kaum verwunderlich, dass Rüstungshersteller, die in der öffentlichen Meinung jahrelang geächtet waren, nun besonders gute Geschäfte machen. Angesichts des Krieges in der Ukraine und der Bemühungen der Nato-Staaten, die Ukraine mit modernen Waffen auszustatten. Angesichts von Politikern wie Olaf Scholz, die eine "Zeitenwende" ausrufen und bekennen, dass sie künftig das Militärische wieder deutlich wichtiger nehmen wollen.

Die Zahlen allerdings, die das in Stockholm ansässige Friedensinstitut Sipri nun vorgestellt hat, beziehen sich auf 2021, die Veränderungen infolge des Krieges in der Ukraine fließen also nicht ein. Die größten 100 Rüstungskonzerne der Welt haben im Vorjahr Waffen und militärische Dienstleistungen im Wert von fast 600 Milliarden US-Dollar verkauft, umgerechnet sind das etwas mehr als 560 Milliarden Euro.

Die Umsätze aus Militärgeschäften wachsen damit bereits das siebte Jahr hintereinander. 1,9 Prozent beträgt das Plus für 2021. Es hätte noch höher ausfallen können, sagt Sipri-Forscherin Lucie Béraud-Sudreau, wenn es die Nachwirkungen der Corona-Krise nicht gegeben hätte: Unterbrechungen in den globalen Lieferketten der Waffenindustrie, Verzögerungen beim Versand und Engpässe bei wichtigen Materialien. Einigen Rüstungsunternehmen wie beispielsweise Airbus und dem US-Konzern General Dynamics fehlten laut den Sipri-Experten auch Arbeitskräfte.

Bereits seit mehr als 30 Jahren gibt es die Datenbank, mit der das Institut die Entwicklung des internationalen Rüstungsgeschäfts dokumentiert. Anfangs wurden nur die Konzerne der westlichen Welt erfasst, seit 2002 auch die Rüstungsbranche in Russland, seit 2015 jene in China. Eingerechnet in die Daten werden Verkäufe von schweren Waffen und militärischen Dienstleistungen an militärische Abnehmer im In- und Ausland. Auf Deutschland bezogen werden also zum Beispiel sowohl die Beschaffung der Bundeswehr bei hiesigen Rüstungskonzernen erfasst als auch Rüstungsexporte ins Ausland.

US-Konzerne machen 50 Prozent des globalen Rüstungsgeschäfts

Rüstungskonzerne aus den USA haben den bei Weitem größten Weltmarktanteil. 40 Unternehmen aus den Vereinigten Staaten finden sich in der Sipri-Liste, zusammen erwirtschafteten sie 2021 fast 300 Milliarden US-Dollar, etwa die Hälfte der weltweiten Umsätze im Waffengeschäft also. Der größte Rüstungskonzern der Welt ist Lockheed Martin mit einem Umsatz von mehr als 60 Milliarden US-Dollar.

Unternehmen aus China verbuchen mit 18 Prozent den zweitgrößten Anteil am globalen Rüstungsgeschäft. Die acht im Sipri-Ranking vertretenen chinesischen Rüstungsfirmen haben im vergangenen Jahr schätzungsweise knapp 110 Milliarden US-Dollar verdient. Das sind 6,3 Prozent mehr als 2020. China modernisiere seine militärische Ausrüstung und versuche bei der Herstellung von Großwaffen autark zu werden, heißt es von den Experten in Stockholm.

Die sechs auf der Rangliste geführten Militärkonzerne aus Russland erzielten 2021 einen Umsatz von knapp 18 Milliarden US-Dollar. Derzeit hat Russland laut den Friedensforschern wegen kriegsbedingten Sanktionen durch die USA und die EU allerdings Probleme bei der Produktion.

Die 27 europäischen Unternehmen in der Liste der 100 größten Rüstungsfirmen verkauften Waffen und andere Produkte im Wert von etwas mehr als 120 Milliarden US-Dollar.

Die vier deutschen Unternehmen Rheinmetall, Thyssenkrupp, Hensoldt und Diehl setzten vergangenes Jahr Waffen und Rüstungsgüter im Wert von 9,3 Milliarden US-Dollar, also etwa 8,9 Milliarden Euro um, das ist eine Steigerung von 5,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Größter deutscher Waffenhersteller bleibt laut Sipri mit einem Umsatz von 4,5 Milliarden US-Dollar Rheinmetall. Die Umsätze deutscher Konzerne machen 1,6 Prozent der weltweit verkauften Waffen und Rüstungsgüter aus.

Wie sich der Krieg in der Ukraine auswirkt

Auch wenn es bisher nur vorläufige Daten und eine grobe Abschätzung gibt, die Angaben, die die Sipri-Experten für 2022 machen, zeigen zwei gegenläufige Entwicklungen. Zum einen dürften die Umsätze gerade europäischer Rüstungsunternehmen infolge des russischen Angriffskrieges tendenziell steigen.

Zum anderen dürften die Lieferkettenprobleme anhalten. Russland ist nämlich ein "Großlieferant von Rohmaterial für die Waffenproduktion", wie die Sipri-Fachleute schreiben. Dazu zählen Aluminium, Kupfer, Stahl und Titan. Der Mangel an Rohmaterial könnte also die Bemühungen der europäischen Armeen erschweren, ihr Waffenarsenal zu modernisieren und neue Munitionsbestände anzulegen, nachdem ein Teil des Materials in die Ukraine geschickt worden ist. "Wenn die Unterbrechungen der Lieferketten anhalten, könnte es für einige der größten Waffenproduzenten mehrere Jahre dauern, die durch den Ukraine-Krieg geschaffene neue Nachfrage abzudecken", sagt Sipri-Forscher Diego Lopes da Silva.

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