Simbabwe:Mugabe darf sich erstmals nach dem Putsch zeigen

Robert Mugabe

Der entmachtete Präsident von Simbabwe, Robert Mugabe, durfte heute seinen Hausarrest verlassen, um in Harare am einer Graduiertenfeier der Universiät teilzunehmen.

(Foto: dpa)

Simbabwes Herrscher hat sein Land ausgeraubt. Die putschenden Generäle wollen ihm dennoch einen gesichtswahrenden Rückzug ermöglichen.

Von Bernd Dörries, Harare

Es stellt sich schon seit vielen Jahren die Frage, ob Robert Mugabe noch mitbekommt, was so passiert in seinem Land. Ob er weiß, wie es um Simbabwe steht, das er einst befreite und dann zu Grunde richtete. Oder ob er abgeschirmt wird von seinen Beratern, die ihm potemkinsche Dörfer aufbauen, wenn er im Land unterwegs ist.

Am Freitag musste er nur durch das Autofenster schauen, um zu wissen, was los ist. Am Morgen verließ seine Autokolonne die Privatresidenz und machte sich auf den Weg zur Zimbabwe Open University, wo Mugabe den Abschlussjahrgang verabschiedete. Die Autokolonne fuhr über Schlaglochpisten vorbei an verfallenden Fabrikhallen, an Wohnhäusern mit eingefallenen Dächern - und vorbei an Verkaufsständen, bei denen man erkennt, dass die Menschen versuchen, alles zu Geld zu machen, was sie noch finden in diesem leer geplünderten Land: Es gibt Kompost, Regenwürmer und zerlumpte Kleider. Mugabe müsste also nur die Augen aufmachen. Er schlief aber wohl wieder ein.

Bei öffentlichen Auftritten fallen ihm oft die Augen zu

Es dauerte nur wenige Minuten, bis ihm die Augen zufielen auf dem Podium der Open University, so wie ihm die Augen in den vergangenen Jahren überall zugefallen sind, wo er auftrat. Im Parlament, im Fernsehen, überall. Als ob er keine Lust mehr habe auf die Realität da draußen. Diese Realität nimmt in Simbabwe immer skurrilere Züge an. Am Mittwoch putschte das Militär, ohne auf Widerstand zu stoßen, verhaftete wichtige Mitstreiter des ewigen Präsidenten, Soldaten setzten Mugabe unter Hausarrest. "Ende einer Ära", titelten die Zeitungen.

Am späten Donnerstagabend ist die Ära plötzlich wieder da, die Generäle trafen Mugabe in seinem Amtssitz, um zu verhandeln, wie es weiter geht. Die staatliche Zeitung veröffentlichte Fotos, wie Mugabe und der Armeechef Händchen halten. Beide lächeln. Und am Freitag durfte Mugabe seinen Hausarrest unterbrechen und zur Universität fahren, so, als wäre nichts gewesen.

Das Militär hatte schon zu Beginn des Putsches am Mittwoch darum gebeten, diesen nicht so zu nennen. Denn ein Putsch klingt nie gut für die internationale Gemeinschaft. Selbst die Afrikanische Union, die eigentlich immer ein Auge zudrückt oder auch zwei, hatte gewarnt, dass sie das Ergebnis eines Coups niemals akzeptieren würde. Ein weggeputschter Mugabe würde für die neuen Machthaber also Sanktionen bedeuten, zumindest aber keine Anerkennung durch die wichtigen Industrieländer. Und damit auch keine Investitionen, die das Land so dringend braucht, die sich die Generäle so dringend wünschen. Ob sie auch dem Volk zu Gute kommen würden, ist eine andere Frage.

Das Militär versucht deshalb, seinen Putsch so zu gestalten, dass er irgendwie auch der Verfassung entspricht. Was bedeutet, dass Mugabe freiwillig zurücktreten müsste - was der aber nicht vorhat. Mehrere lokale Medien berichten, dass Mugabe bereit sei, nach dem regulären Ende seiner Amtszeit Mitte kommenden Jahres aufzuhören. Das würde ihm und seiner Frau Zeit geben, die eigenen Truppen neu zu formieren, um doch noch das Ziel zu erreichen, Grace Mugabe als Nachfolgerin ihres Mannes zu installieren. Genau das sollte der Militärputsch verhindern; Ziel der Generäle ist es, Emmerson Mnangagwa ins Amt des Präsidenten zu bringen. Er war vor knapp zwei Wochen als Vize von Mugabe entlassen worden, um Platz für dessen Frau Grace zu machen. Mehrere ihrer Mitstreiter seien verhaftet worden, sagte ein Militärsprecher am Freitag, nach anderen werde noch gesucht. Insgesamt mache die Aktion gute Fortschritte, die Bevölkerung müsse sich aber noch gedulden, sagte der Sprecher.

Zumindest kleine Fortschritte bringt die neue Situation jetzt schon

Geduld ist nun etwas, was die Bevölkerung tatsächlich eingeübt hat in Simbabwe, nach 37 Jahren Mugabe. Zumindest kleine Fortschritte bringt die neue Situation bereits. Die Verkehrspolizisten sind verschwunden von den Straßen, sie waren die gierigsten in einem ohnehin völlig korrupten Staatswesen. Manche Beamte stellten ihre Privatfahrzeuge am Straßenrand ab und postierten sich daneben, um die Autofahrer abzukassieren. Jetzt ist keine Verkehrskelle zu sehen, wohl auch aus Angst vor der Wut der Bevölkerung.

Die wartet ab, und schaut den sonst eher wenig beachteten staatlichen Fernsehsender ZBC, auf dem sich die Unterstützer von Grace Mugabe für ihr früheres Verhalten entschuldigen. Manche sehen aus, als wären sie verprügelt worden. Der verhaftete Chef der Jugendliga der Regierungspartei behauptet, eine Rede, in der er neulich den Armeechef beleidigte, sei ihm untergeschoben worden. Der wahre Urheber sei ein ganz anderer. Der Genannte erscheint wenig später und beschuldigt wiederum einen anderen. So geht das den ganzen Tag.

Dann taucht wieder der Armeesprecher auf und bittet um Geduld. Alles sei auf einem guten Weg. Mnangagwa und die Militärführung wollen Mugabe nun vor die Wahl stellen, sein Amt freiwillig abzugeben oder vom Parlament per Amtsenthebung entfernt zu werden. Das entspräche aus ihrer Sicht der Verfassung. "Es gibt kein Zurück", sagte ein Politiker der Regierungspartei Zanu-PF der Nachrichtenagentur Reuters. Wenn Mugabe "dickköpfig" bleibe, werde die Amtsenthebung bereits am Dienstag beginnen. Ob dieser Zeitplan zu halten ist, bleibt eine andere Frage, zumindest aber gibt es für Mugabe und seine Frau kaum Aussicht, die Macht auf lange Sicht zu behalten.

Womöglich käme Südafrika als Exil in Frage

"Er spielt ein bisschen auf Zeit", sagte ein Oppositionspolitiker. Wohl auch, um die gestohlenen Reichtümer in Sicherheit zu bringen und ein angenehmes Exil zu finden. Südafrika käme da sicher in Frage. Mit Präsident Jacob Zuma verbindet Mugabe vieles, beide kamen als Befreiungskämpfer ins Gefängnis, beide plünderten an der Spitze des Staates ihre Länder aus - und versuchten dann, ihre Frauen als Nachfolger aufzubauen, um nicht zur Rechenschaft gezogen zu werden (bei Zuma ist es die Ex-Frau). Mugabe das Amt zu retten wird Zuma aber nicht gelingen, auch wenn er zwei Minister zu Verhandlungen nach Harare schickte.

Entscheidender ist ohnehin, was sich China wünscht, das Land, das wie kein anderes seine Macht ausgebaut hat in Afrika, und das auch in großem Stil in Simbabwe investiert. Gegenüber der Universität in Harare, in der Mugabe am Freitag einen Doktorhut trägt, haben die Chinesen eine große Fabrik gebaut. Sie sind bei der Bevölkerung nicht sehr beliebt, wegen ihrer manchmal offenbar recht rüden Art. Ohne sie würde Simbabwe aber wohl zusammenbrechen.

Armeechef Constantino Guveya Chiwenga reiste vergangene Woche nach Peking und wurde dort vom Chef des Generalstabs empfangen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Chinesen ihr Einverständnis gegeben haben zum Umsturz. Mit Mugabe und seiner gierigen Frau waren offenbar keine guten Geschäfte mehr zu machen. Aber auch die Chinesen hatten vielleicht nicht damit gerechnet, dass Mugabe so schwer aus dem Amt zu bringen ist.

Am Samstag wollen die Veteranen des Befreiungskrieges in Harare gegen Mugabe demonstrieren, ihren einstigen Kameraden, der damit jeden politischen Rückhalt verloren hat. Ob Mugabe das weiß, ist eine andere Frage. Er wird die Demonstration wahrscheinlich verschlafen.

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