Es gibt auch Menschen in Simbabwe, die von der Dürre profitieren. Garikai Chimutengo zum Beispiel. Der 32-Jährige sitzt an einem heißen Novembertag auf dem Marktplatz von Kariba, am Ufer des gleichnamigen Sees im Nordwesten des Landes, und macht Mittagspause. Er ist Fischer und verdient sein Geld damit, Brassen und Tigerfische zu fangen. Und das ist deutlich einfacher geworden, seit das Wasser in dem Teil des Sees, wo er seine Netze auswirft, nicht mehr acht Meter tief ist wie bis zum vergangenen Jahr. Sondern nur noch drei.
Im flachen Wasser, sagt Chimutengo, sei aber das Risiko groß, einem Nilpferd in die Quere zu kommen. Erst letzte Woche habe eines sein Boot angegriffen, er konnte es gerade so über Wasser halten. Doch wenn die Fischer es heil ans Ufer schaffen, sind ihre Boote viel voller als früher. Sie fangen mehr, weil die Fische weniger Platz zum Ausweichen haben. An einem guten Tag sind es bis zu 120 Kilo.
Millionen Menschen hungern, fünf Staaten haben den Notstand ausgerufen
Kurzfristig, sagt Chimutengo, ist der gesunkene Pegel für ihn ein Segen. Doch langfristig ist ihm die Entwicklung unheimlich. „Wenn es so weitergeht“, sagt er, „dann trocknet der See irgendwann aus. Wir beten für Regen.“
Das südliche Afrika durchlebt eine Dürre, wie es sie hier nach Angaben des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) noch nie gegeben hat. Im vergangenen Jahr fiel viel zu wenig Regen in der Region, was Experten dem Wetterphänomen El Niño zuschreiben. Die Folge sind sinkende Wasserstände und massive Ernteausfälle. Millionen Menschen leiden Hunger. Fünf Staaten haben bereits vor Monaten den Notstand ausgerufen, Simbabwe ist einer von ihnen.
Am Kariba-See sieht man die Folgen der Dürre auf den ersten Blick. Das sich zurückziehende Wasser hat am Ufer einen braunen Streifen hinterlassen, der sich wie ein Ring um den See gelegt hat. Der Wasserstand lag zum Ende der Trockenzeit im Oktober so tief wie noch nie, seit es den See gibt. Und das hat nicht nur Folgen für die Fischer.
Der Kariba-See ist ein Stausee, einer der größten der Welt. Ein Damm, Ende der 1950er-Jahre von den Briten gebaut und 128 Meter hoch, hält das Wasser des Sambesi auf – und ermöglicht so die Produktion von Strom, der für Simbabwe an seinem südlichen Ufer und Sambia im Norden lebenswichtig ist. Das Wasserkraftwerk am Südufer ist Simbabwes wichtigste Energiequelle.
Wegen der Dürre konnte nur ein Bruchteil der sonst üblichen Wassermenge genutzt werden. Sogar ein Totalausfall ist kein unrealistisches Szenario mehr. Arbeiten können die Kraftwerke nur, wenn das Wasser im See mindestens 475,50 Meter über dem Meeresspiegel liegt (der See selbst ist bis zu etwa 100 Meter tief). Zur Jahreswende 2022/23 wäre diese Marke zum ersten Mal fast unterschritten worden, es war eine Frage von Zentimetern. In diesem Jahr dürfte es wieder knapp werden. Der Pegel lag im Oktober sogar noch tiefer als zum selben Zeitpunkt vor zwei Jahren.
Simbabwe stößt pro Kopf zehnmal weniger Kohlendioxid als Deutschland aus
Doch bereits jetzt sind die Folgen verheerend. In Simbabwe fällt bis zu 18 Stunden am Tag der Strom aus, in Sambia dauern die Blackouts manchmal Tage. Simbabwes ohnehin notorisch schwache Wirtschaft erlitt einen herben Einbruch infolge der Dürre, die landwirtschaftliche Produktion brach 2024 um 15 Prozent ein.
Nächstes Jahr werde alles besser, versprach Finanzminister Mthuli Ncube am Donnerstag. Doch ehe er seine Rede beenden konnte, fiel im Parlament in der Hauptstadt Harare der Strom aus. Erst flackerten die Lampen, dann wurde es dunkel im Saal. Nach offiziellen Angaben war ein Blitzschlag für den Blackout verantwortlich. Doch das hinderte die Opposition im Parlament nicht daran, den Vorfall als Sinnbild für den Zustand des Landes zu deuten.
Vor zwei Wochen bei der Weltklimakonferenz in Baku hatte Präsident Emmerson Mnangagwa, wie immer mit einem Schal in Simbabwes Landesfarben um den Hals, von einer „eskalierenden globalen Klimakrise“ gesprochen, die Millionen in Armut und Hunger stürze. Die Dürre, sagte er, beeinträchtige fast jeden Aspekt des Lebens in Simbabwe und zeige, wie verletzlich Entwicklungsländer angesichts des Klimawandels seien. Und das, obwohl sie selbst kaum etwas dazu beitrügen.
Simbabwe emittiert im Jahr pro Einwohner nicht einmal ein Zehntel so viel Kohlendioxid wie Deutschland oder China und nur ein Zwanzigstel dessen, was ein durchschnittlicher US-Amerikaner produziert. Zum Klimawandel trägt Simbabwe also tatsächlich kaum etwas bei. Dass er die Bevölkerung des Landes so hart trifft, daran ist die Regierung aber nicht unschuldig. Und das hat ausgerechnet mit dem Kampf gegen den Klimawandel zu tun.
Wie Garikai Chimutengo hat auch Masimba Manyanya für Regen gebetet. Und er wurde erhört. Ende Oktober fielen die ersten Tropfen auf sein Land in Goromonzi, 40 Kilometer östlich von Harare. Manyanya, 64 Jahre alt, machte sich sofort an die Arbeit und pflanzte Mais, der jetzt knöchelhoch auf dem Feld steht. Als Symbol für die Hoffnung, dass es dieses Jahr anders läuft als letztes Jahr.
Auch vergangenen Oktober war der Regen gekommen. Doch um die Jahreswende hatte er von einem Tag auf den anderen aufgehört. Viel zu früh, die Regenzeit geht eigentlich bis Februar. Die Ernte war ruiniert, sagt Manyanya. „So etwas habe ich noch nie erlebt.“
Manyanya war nicht immer Farmer. Nach der Schule studierte er, als Erster in seiner Familie, und arbeitete danach im Finanzministerium von Simbabwe, von Ende der Achtziger bis Ende der Neunziger. Er verantwortete die Währungspolitik und schrieb Reden für den damaligen Machthaber Robert Mugabe, bis er sich mit dessen Regime überwarf und nach Südafrika auswanderte. 2008 kam er zurück, um wie sein Vater als Farmer zu arbeiten und, so sagt er es, sich für die Belange der ländlichen Bevölkerung einzusetzen.
Die Farmer in Goromonzi hätten mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen, sagt Manyanya. Das Land, das sie bestellen, gehöre nicht ihnen, sondern der Regierung, die es ihnen jederzeit ohne Begründung wegnehmen könne. Der Regen bleibe häufig aus und wenn er dann komme, dann oft in so großen Mengen, dass die Pflanzen nicht verdursten, sondern ertrinken. Und dann gibt es noch ein Problem, das Manyanya auf einem Hügel ein paar Kilometer südlich seines Grundstücks sehen kann: die Lithium-Mine.
Der Lithium-Abbau verbraucht Unmengen von Wasser
Lithium wird für die Herstellung von Batterien benötigt und ist als Schlüsselelement der Energiewende so nachgefragt, dass man auch vom „weißen Gold“ spricht. Simbabwe hat die größten Vorkommen Afrikas. Sie werden vor allem von chinesischen Firmen abgebaut, die Milliarden in Simbabwe investiert haben. Die Mine, deren Türme Manyanya von seinem Haus aus sieht, heißt Prospect Lithium Zimbabwe (PLZ) und gehört zum chinesischen Huayou-Konzern.
Das große Problem des Lithium-Abbaus ist aus Sicht von Umweltschützern, dass er Unmengen von Wasser verbraucht. Dieses Wasser, sagt Manyanya, nehme sich PLZ einfach aus den Reservoirs der Gegend. Die Regierung schaue weg. Für die Bauern bleibe häufig nichts übrig, auch das Grundwasser sei seit der Eröffnung der Mine vor zwei Jahren um viele Meter abgesunken. Manyanya hat ein eigenes Bohrloch, um an Wasser zu gelangen. So tief wie jetzt stand es noch nie, sagt er.
Der Huayou-Konzern reagierte auf eine SZ-Anfrage nicht. PLZ betont auf seinem X-Account die Bedeutung von Nachhaltigkeit und eines verantwortungsvollen Wasserverbrauchs. Im März habe man die Versorgung der lokalen Bevölkerung sogar verbessert, indem man einen Damm wiederhergestellt habe. Allerdings bezweifelt nicht nur Manyanya, dass beim Lithium-Abbau alles sauber abläuft. Ein Report der britischen Organisation Global Witness kam Ende letzten Jahres zu dem Schluss, dass das Geschäft mit dem weißen Gold die Korruption anheize und viele Umweltprobleme verursache.
„Das Klima“, sagt Masimba Manyanya, „ist nicht der einzige Grund, warum die Farmer zu wenig ernten und so viele Menschen hungern.“