Simbabwe:Ein Funken Hoffnung

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Stimmabgabe in Harare: Bisher waren es die Menschen in Simbabwe gewohnt, von Robert Mugabe regiert zu werden – diese Ära ist nun vorbei. (Foto: Luis Tato/AFP)

Zum ersten Mal seit dem Sturz Robert Mugabes wählen die Menschen in Simbabwe eine neue Regierung - sicher sind sich alle: es kann nur besser werden.

Von Bernd Dörries, Harare

Tembelani Sibanda steht vor einem grünen Zelt in der Hauptstadt Harare, es ist knapp acht Uhr am Montagmorgen. Vor ihm ist eine lange Schlange von Menschen, die sich für die erste Wahl in Simbabwe anstellen, bei der Robert Mugabe nicht auf dem Wahlzettel steht. Hinter ihnen und Tembelani Sibanda liegen Jahre, in denen dieser Tag nicht möglich erschien. "Ich bin 23 Jahre alt, es ist meine erste Wahl, ich freue mich sehr, ich hoffe, dass es eine faire und freie Wahl wird, und dass der Verlierer das Ergebnis akzeptieren wird, das ist das wichtigste", sagt Sibanda.

Er studiert Politikwissenschaft an der Universität von Harare, aber man braucht die Wissenschaft nicht, um zu erkennen, was schief lief in Simbabwe in den vergangenen Jahren. Sibanda steht in Mbare, einem eher schwierigen Stadtteil von Harare, der sich an der Grenze zum Slum bewegt. Hier stehen große Wohnblocks, die vor sich hinbröseln, sie wurden vor Jahrzehnten gebaut, für die Arbeiter, die in den Fabriken und bei der Eisenbahn schufteten. Heute gibt es kaum mehr Fabriken und keine Arbeit, aber viel zu viele Menschen ohne jede Perspektive. Früher hätten sich vier Männer eine Wohnung geteilt, erzählt Sibanda, heute quetschen sich vier Familien auf ein paar Quadratmetern, in der Regenzeit brechen immer wieder Typhus und Cholera aus. "Die letzten Jahre waren nicht gut, jetzt kann es nur besser werden", sagt Sibanda, so sagt es jeder in der Schlange.

Simbabwe war schon immer das Land der Optimisten, ein Land, dessen Menschen bei jeder neuen Wahl mit großer Hoffnung in der Schlange stehen, um dann doch immer wieder enttäuscht zu werden von ihren Anführern. "Dieses Mal ist es anders, dass hoffen wir alle", sagt Sibanda. Es ist ja jetzt schon alles anders, Mugabe ist weg und damit auch die Angst. Man kann nun sagen, was man denkt in Simbabwe. Doch Freiheit macht eben nur bedingt satt. "Wir waren einmal die Brotkammer Afrikas und wollen es wieder werden", sagt Sibanda. "Brotkammer" ist ein Wort, das im Englischen auch die Simbabwer kennen, die sonst wenig Englisch können. Es ist eine Chiffre für die gute, alte Zeit, als Simbabwe ein reiches Land war, dessen Landwirtschaft den ganzen Kontinent versorgte.

"Da wollen wir wieder hin, das schaffen wir", sagt Christopher Sheperd - noch so ein unverbesserlicher Optimist. Sheperd war lange selbst einer der Farmer, die den Brotkorb mit Weizen, Mais und Tabak füllten, er führte die Farm der Familie in dritter Generation. Bis Robert Mugabe die weißen Farmer im Jahr 2000 von ihren Höfen prügeln ließ. Sheperd verlor alles, sein Land ging nicht an die Mittellosen, denen es Mugabe versprochen hatte, sondern an einen Minister aus der Clique des Präsidenten - seitdem passiert dort nichts, alles verfällt, so wie das ganze Land verfallen ist.

Als das Militär und der Vizepräsident Emmerson Mnangagwa vergangenes Jahr gegen Mugabe putschten, stand Sheperd als einziger Weißer mit seinen drei Töchtern in einer riesigen Menge von Demonstranten, die gegen Mugabe und die alte Garde demonstrierten. Unter den Demonstranten sah er die Leute, die damals seine Nachbarn von der Farm geprügelt hatten, die Schergen Mugabes. Nun fand man sich für kurze Zeit auf derselben Seite wieder, schrie zusammen Mugabe aus dem Amt.

Ein Wähler hofft auf eine bessere Zukunft: "Grundsätzlich ist in Simbabwe alles möglich."

Acht Monate später sitzt Sheperd auf der Terrasse seines Wohnhauses in Greendale, einem der reichen Vororte von Harare, der Rasen ist akkurat gemäht und der Tee frisch gebrüht. Es ist in vieler Hinsicht das genaue Gegenteil von Mbare. Und auch wieder nicht, der Optimismus und die Zuversicht sind der Kitt, der das Land zusammenhält. "Mugabe hat viel kaputt gemacht, aber er hat die Gesellschaft nicht zerstört, es gibt keinen Hass zwischen Weiß und Schwarz", sagt Sheperd. Hin und wieder fährt er raus zu seiner alten Farm, die auch vor sich hinbröselt. Die Angestellten von damals betteln ihn an, doch wieder zurückzukommen. So wie Mnangagwa, der Nachfolger Mugabes und Spitzenkandidat der regierenden Zanu-PF, auch um die weißen Farmer wirbt, an deren Vertreibung er damals selbst maßgeblich beteiligt war. "Ich kann verzeihen", sagt Sheperd über diese Zeit, "es war nur Land".

Gewählt hat er Mnangagwa aber nicht. Er ist ein glühender Anhänger von Nelson Chamisa, dem 40-jährigen Spitzenkandidaten der Opposition. Manche seiner weißen Bekannten haben gelacht, wenn Chamisa mal wieder seine Pläne für die Zukunft ausgebreitet hat, einen Hochgeschwindigkeitszug zum Beispiel oder moderne Autobahnen.

"Warum nicht einmal ein Bild der Zukunft entwerfen, auch wenn sie fern erscheint. Grundsätzlich ist in Simbabwe alles möglich", sagt Sheperd. Und das ist es wohl auch. Es ist ein Land, das in den vergangenen Jahren so schmerzhaft unter seinen Möglichkeiten geblieben ist. Seine besten Leute sind zu Hunderttausenden ins Ausland geflohen, in Südafrika sind sie bei Arbeitgebern wegen ihrer Bildung und Zuverlässigkeit gefragt. Tembelani Sibanda hat fast alle seine Freunde ins Ausland gehen sehen und Chris Sheperd seine ganze Familie, alle vier Kinder, sie sahen in Simbabwe unter Mugabe keine Zukunft. Beide Männer stehen an unterschiedlichen Orten von Harare und damit der Gesellschaft. Beide aber sagen, alle werden zurückkommen ins neue Simbabwe, das gerade entsteht. Egal, wer gewinnt.

© SZ vom 31.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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