Süddeutsche Zeitung

Sigmar Gabriel:Eklat bei Israel-Reise

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Premier Netanjahu lässt einen Termin mit dem Außenminister platzen, weil dieser an einem Treffen mit Menschenrechtsgruppen festhält.

Von Stefan Braun und Peter Münch, Jerusalem

Die deutsch-israelischen Beziehungen werden von einem heftigen Streit erschüttert. Am Dienstag platzte ein Treffen zwischen Bundesaußenminister Sigmar Gabriel und dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu in Jerusalem. Netanjahu soll israelischen Medienberichten zufolge vorher von der deutschen Delegation gefordert haben, ein Gespräch mit linken Friedens- und Menschenrechtsgruppen abzusagen. Dagegen verwahrte sich Gabriel mit deutlichen Worten: "Es ist ganz normal, dass wir bei Auslandsbesuchen auch mit Vertretern der Zivilgesellschaft reden", sagte er, "das tun wir seit vielen Jahren in vielen Ländern." Die Absage nannte er "bedauerlich".

Dass der israelischen Seite das geplante Treffen nicht gefallen würde, hatte sich schon vor Tagen abgezeichnet. Aus deutschen Delegationskreisen hieß es, es habe aber im Vorfeld keine Drohung mit einer Absage gegeben. Dass es ernsthaft schwierig werden könnte, erfuhr Gabriel offenbar erst auf dem Weg nach Israel. In diesem Zusammenhang herrscht im Auswärtigen Amt auch Verwunderung darüber, dass Israels Botschafter in Berlin, der für gewöhnlich einen guten Zugang und direkten Draht zum Minister hat, offenbar kein deutlicheres Signal gesendet habe.

Gleichwohl liefen noch den ganzen Dienstag über Bemühungen, das Treffen doch noch zu ermöglich. Hinter den Kulissen versuchte sogar Österreichs Bundeskanzler Christian Kern zu vermitteln, der zur selben Zeit Israel besuchte. Allerdings gab es aufseiten Gabriels keinen Gedanken daran, die für den Abend geplante Begegnung mit den linken Gruppierungen abzusagen. Den Versuch Netanjahus, telefonisch Kontakt aufzunehmen, lehnte Gabriel offenbar ab. Der Zeitung Haaretz zufolge wollte Israels Regierungschef ihm die Gründe für die Absage persönlich erklären.

Offen zutage getreten ist somit nun ein seit Längerem schwelender, grundsätzlicher Dissens zwischen den Regierungen in Jerusalem und Berlin. Als Indiz für wachsende Spannungen jenseits der offiziellen Freundschaftsbekundungen wurde bereits die mit Terminschwierigkeiten begründete deutsche Absage der diesjährigen gemeinsamen Regierungskonsultationen verstanden. Streitpunkte sind die israelische Siedlungspolitik und die ihretwegen schwindenden Perspektiven für die Zwei-Staaten-Lösung, zu der sich Gabriel auch in Israel und in den Palästinensergebieten nochmals ausdrücklich bekannte.

Netanjahus jetziger Affront gegenüber Gabriel wurde im Jerusalemer Regierungslager begrüßt. Die Vize-Außenministerin Tzipi Hotovely gratulierte ihrem Premier, der zugleich als Außenminister amtiert. Es sei nötig gewesen, hier eine "rote Linie" zu ziehen. Die linken Gruppierungen werden in Israel schon seit Längerem von der Regierung angefeindet, von zahlreichen europäischen Staaten jedoch finanziell unterstützt. Kritik kam dagegen von Oppositionsführer Isaak Herzog, der am Nachmittag mit Gabriel zusammentraf. Er nannte Deutschland einen "wahren Freund Israels" und warf Netanjahu vor, Israels Auslandsbeziehungen einen "schweren Schlag" zu versetzen.

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SZ vom 26.04.2017
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