Sierra Leone:Zu schwach für den Regen

Regen in Westafrika

Wassermassen machen auch in Nigeria und Niger Hunderttausende obdachlos

In Sierra Leone sterben hunderte Menschen bei einem Erdrutsch, den heftige Regenfälle ausgelöst haben. Auch Tage nach dem Unglück sind die meisten Opfer noch nicht geborgen. Hilfe ist dringend nötig.

Von Isabel Pfaff

Etwa eine Woche bevor der Sturm Harvey auf Texas hereinbrach, löste sich an der Küste von Sierra Leone die Flanke eines Hügels. Heftiger Regen hatte die Erde völlig aufgeweicht. Am frühen Morgen des 14. August malmte sich ein gigantischer Erdrutsch seinen Weg durch einen dicht besiedelten Vorort der Hauptstadt Freetown, überraschte die Bewohner im Schlaf - und begrub Hunderte Menschen unter sich.

Es dauerte ein paar Tage, bis das Ausmaß der Katastrophe deutlich wurde: Etwa 500 Todesopfer konnten nach Angaben der Behörden bis Ende August geborgen werden, bis zu 800 würden immer noch vermisst. Weiterhin wird nach Opfern gesucht, doch mit Überlebenden rechnen die Rettungskräfte mehr als zwei Wochen nach dem Unglück nicht. Wie ein Regierungssprecher vergangene Woche mitteilte, sollen die vom Erdrutsch zerstörten Gebiete versiegelt und zu Gedenkstätten erklärt werden.

Noch immer regnet es heftig in Sierra Leone; in der Hauptstadt haben die Wassermassen die Häuser mehrerer Tausend Bewohner zerstört. Regen und Schlamm haben auch die rudimentären Abwassersysteme vieler Wohnviertel beschädigt, sodass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schon vergangene Woche vor dem Ausbruch von Seuchen wie Cholera und Typhus warnte.

Wie in vielen afrikanischen Ländern läuft die Urbanisierung auch in Sierra Leone unkontrolliert ab, die meisten Siedlungen entstehen spontan und ohne Genehmigung. Freetown liegt außerdem auf einer Halbinsel am Atlantik, große Teile des Stadtgebiets sind von Überschwemmungen gefährdet. Fast jedes Jahr leidet die Hauptstadt deshalb unter den Niederschlägen der Regenzeit, die etwa von Mai bis September dauert. Dauerhaft Abhilfe könnte nur eine bessere Infrastruktur schaffen, doch Sierra Leone zählt zu den ärmsten Staaten Afrikas. Die Schwäche des Staates und seiner Institutionen zeigte sich auch bei der verheerenden Ebola-Epidemie vor drei Jahren, gegen die das schlechte Gesundheitssystem Sierra Leones kaum etwas ausrichten konnte. Bei Katastrophen wie dem jüngsten Erdrutsch ist das Land also dringend auf Hilfe von außen angewiesen. Doch die läuft nur zögerlich an.

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