Süddeutsche Zeitung

Sicherheitspolitik:Mehr Soldaten für Afghanistan

Die Nato erwägt, ihre Präsenz am Hindukusch um einige Tausend Soldaten zu verstärken. Der Druck auf Deutschland könnte steigen.

Von Daniel Brössler, London

Deutschland muss sich auf neue Forderungen der Nato und der USA einstellen. "Wir sind von unserer militärischen Führung gebeten worden, unsere Militärpräsenz in Afghanistan um einige Tausend Soldaten zu verstärken", sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch nach einem Treffen mit der britischen Premierministerin Theresa May in London. Das Ersuchen werde nun geprüft, eine Entscheidung falle in wenigen Wochen. Stoltenberg wird an diesem Donnerstag von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin empfangen, um den Nato-Gipfel im Mai vorzubereiten. Dabei wird es auch um die Aufstockung in Afghanistan gehen. Derzeit sind knapp tausend Bundeswehr-Soldaten am Hindukusch stationiert. Für die Nato-Ausbildungsmission Resolute Support sind aktuell insgesamt etwa 13 000 Soldaten im Einsatz.

Zu einem Kampfeinsatz wolle man aber nicht zurückkehren, so der Nato-Generalsekretär

Deutschland steht vor dem Nato-Gipfel unter Druck, sich zu höheren Verteidigungsausgaben zu bekennen und einer stärkeren Rolle der Nato im Anti-Terror-Kampf zuzustimmen. Unklar blieb zu-nächst, wie stark die Bundeswehr von einer möglichen Verstärkung in Afghanistan betroffen sein könnte. Das derzeitige Mandat des Bundestages sieht eine Obergrenze von 980 Soldaten vor, die praktisch ausgeschöpft ist. "Deutschland spielt bereits eine führende Rolle in Afghanistan", sagte Stoltenberg der Süddeutschen Zeitung. Als Nato-Führungsnation erfülle es im Norden des Landes eine wichtige Aufgabe. "Alle Verbündeten sind Teil der Entscheidungsfindung. Wir respektieren, dass die unterschiedlichen Alliierten unterschiedliche Entscheidungsprozeduren haben. In Deutschland entscheidet das Parlament über die Truppenobergrenzen", sagte er.

Die Überlegungen zu Afghanistan sind Teil der routinemäßigen Verhandlungen über die Beiträge der Mitgliedstaaten zu den Nato-Missionen im kommenden Jahr, haben aber auch mit der Politikwende zu tun, zu der US-Präsident Donald Trump von seinen Militärberatern gedrängt wird. Sie empfehlen die Entsendung von 3000 bis 5000 zusätzlichen Soldaten nach Afghanistan, um die unter Druck der Taliban stehende Armee zu unterstützen. Dahinter steht die Einschätzung, dass die afghanische Führung zu schwach ist, um die Taliban an den Verhandlungstisch zu zwingen. Derzeit sind 8400 US-Soldaten in Afghanistan stationiert.

Die Allianz kehre nicht zum Kampfeinsatz zurück, betonte Stoltenberg. Es gehe weiterhin um "Training, Unterstützung und Rat", sagte er. Die "beste Waffe" gegen den Terror sei die Stärkung einheimischer Kräfte. Nach 13 Jahren hatte die Nato Ende 2014 ihren Kampfeinsatz in Afghanistan beendet. Seitdem steht sie der afghanischen Armee nur noch ausbildend und beratend zur Seite. Ende April hatten Taliban bei einem Angriff auf einen Stützpunkt der afghanischen Armee in Masar-i-Scharif 170 Rekruten getötet.

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Quelle:
SZ vom 11.05.2017
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