Sicherheitspolitik:Feuer von unten

Canadian Prime Minister Justin Trudeau Visits Berlin

Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Kanadas Premierminister Justin Trudeau (links) und Christoph Heusgen, seit 2017 deutscher UN-Botschafter.

(Foto: Getty Images)

Wenn Deutschland von 2019 an für zwei Jahre nichtständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat wird, will die Bundesregierung die internationale Kooperation stärken - gegen die Trumps dieser Welt.

Von Daniel Brössler

Es war auf dem Rückweg von seiner letzten Dienstreise vor Weihnachten. Außenminister Heiko Maas saß auf der Route von Erbil in Nordirak nach Al-Asrak in Jordanien im Cockpit des Truppentransporters Transall C-160 hinter den Piloten. Plötzlich war am Boden, hinter der irakisch-syrischen Grenze, Geschützfeuer zu sehen. So konnte Maas von oben betrachten, was ihn in den nächsten Wochen und Monaten beschäftigen wird. Am 1. Januar rückt Deutschland für zwei Jahre als nicht-ständiges Mitglied in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ein. Maas hat angekündigt, dass Deutschland diese Zeit nutzen will, um den Multilateralismus, also internationale Kooperation, zu stärken. Er will außerdem die Folgen des Klimawandels für die Sicherheit in vielen Teilen der Welt auf die Agenda bringen und auf eine stärkere Rolle von Frauen bei humanitären Einsätzen oder in UN-Missionen dringen. Aber ganz handfest wird die Bundesregierung in den kommenden zwei Jahren immer wieder gefragt sein, wenn es um Kriege geht wie jenen in Syrien.

Deutschland rücke durch die Mitgliedschaft im Sicherheitsrat "politisch noch näher an die Krisen und Konflikte heran", hat Maas anlässlich der bevorstehenden Mitgliedschaft im Sicherheitsrat bemerkt. Aus dem Register nicht enden wollender Konflikte stehen zur Behandlung gleich in den ersten Januar-Wochen jedenfalls an: Libyen, Sudan, Irak und immer wieder Syrien. Gerade in diesem Fall macht man sich im Auswärtigen Amt keine Illusionen, ausgerechnet mit der deutschen Mitgliedschaft könne der Sicherheitsrat nun plötzlich handlungsfähig werden. Eine Sprecherin verwies vor Weihnachten auf die Blockade durch Russland, das durch zwölf Vetos Beschlüsse verhindert habe. Fakten in Syrien werden durch jene geschaffen, die militärisch die Oberhand haben - Russland, Iran, das Regime in Damaskus und gebietsweise auch die Türkei.

Im neuesten Bericht der Bundesregierung über das deutsche UN-Engagement wird der Sicherheitsrat als Faktor in Syrien folglich so gut wie abgeschrieben. Beklagt wird die "eklatante Unfähigkeit des Sicherheitsrates, sich im Syrien-Konflikt auf Beschlüsse zu einigen, die das Leid der Bevölkerung lindern und den Krieg beenden". Das werfe einen "Schatten auf die Handlungsfähigkeit des Sicherheitsrates".

Unter diesem Schatten muss die Bundesregierung nun versuchen, etwas Vorzeigbares aus der deutschen Mitgliedschaft im Sicherheitsrat erwachsen zu lassen - schließlich hat sie sich vehement um diese sechste deutsche Mitgliedschaft bemüht. Der Blockade in Sachen Syrien zum Trotz sei die in den Vereinten Nationen organisierte Weltgemeinschaft in der Lage, "auch hochkomplexe globale Themen anzugehen", heißt es denn auch tapfer im UN-Bericht. Dieser etwas verzweifelte Optimismus ist so etwas wie das Leitmotiv der deutschen Mitgliedschaft im formal mächtigsten Gremium der Weltgemeinschaft.

"Es gibt keinen Widerspruch zwischen Multilateralismus und Souveränität"

"Es gibt keinen Widerspruch zwischen Multilateralismus und Souveränität", hatte Außenminister Maas im September in seiner Rede vor der UN-Generalversammlung versichert. In einer Welt, die vor immensen globalen Problemen stehe, könne "Souveränität überhaupt nur durch Zusammenarbeit gewahrt werden". Bezeichnenderweise führte er dabei auch jenen Migrationspakt der Vereinten Nationen als "Sieg des Multilateralismus" und "Erfolg wahrhaft vereinter Nationen" an, der in Deutschland zu diesem Zeitpunkt noch eine Existenz unterhalb der allgemeinen Wahrnehmungsschwelle fristete, aber Monate später zu einem emotional umkämpften Dokument wurde, das Misstrauen und Kritik nicht nur seitens der Alternative für Deutschland (AfD), sondern auch innerhalb von CDU und CSU auf sich zog.

Während der deutschen Mitgliedschaft im Sicherheitsrat dürfte sich immer wieder diese Diskrepanz zeigen: auf der einen Seite die internationalen Erwartungen an die stärkste Volkswirtschaft Europas und auf der anderen Seite ein eher schwach ausgeprägtes Verständnis für solche Erwartungen in der deutschen Öffentlichkeit. "Ich glaube, dass unsere Verantwortung wächst. Die Erwartungen an uns sind so groß wie wohl noch nie", sagte Maas dieser Tage der Nachrichtenagentur dpa.

Der Außenminister hat den Multilateralismus, also internationale Kooperation, als Gegenprogramm zum Nationalismus des US-Präsidenten Donald Trump zu seinem großen Thema ausgerufen. Mit der mächtigeren deutschen Rolle in New York dürfte nun die Erwartung wachsen, dass Worten Ergebnisse folgen. Maas weiß das. Höchstwahrscheinlich noch im Januar wird er nach New York reisen, um Deutschland persönlich im Sicherheitsrat zu vertreten.

"Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, dass der Sicherheitsrat trotz bestehender Blockaden in Krisenfällen wieder besser funktioniert", kündigte Christoph Heusgen, seit 2017 deutscher UN-Botschafter, in der Rheinischen Post an. Im Sicherheitsrat sei ein "Wandel zur grundsätzlichen Bereitschaft für konstruktive und frühzeitige Lösungen" nötig. In der gegenwärtig "größten Krise weltweit", dem Krieg im Jemen, wolle Deutschland helfen, "dass aus dem lokalen Waffenstillstand Frieden für das ganze Land erwachsen kann". Kurz vor Weihnachten hatte der Sicherheitsrat zu diesem Zweck die Entsendung von Beobachtern nach Jemen beschlossen.

Für Deutschland spielt der der Sicherheitsrat eine wichtige Rolle - nur welche genau?

Gerade auf Heusgen kommen turbulente zwei Jahre und eine interessante Rolle zu. Vor seinem Wechsel nach New York war er zwölf Jahre lang außenpolitischer Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Zum einen verfügt er dadurch über Kontakte in alle wesentliche Regierungszentralen und einen speziellen Draht ins Kanzleramt. Beides dürfte sich als nützlich erweisen, wenn Deutschland im Sicherheitsrat versucht, sich als Krisenvermittler zu betätigen. Beides könnte aber auch genutzt werden, um die innenpolitisch nicht mehr voll ausgelastete Merkel noch stärker in der internationalen Krisendiplomatie in die Pflicht zu nehmen.

Wenn Botschafter Heusgen, ausnahmsweise Außenminister Maas und ganz ausnahmsweise auch einmal Kanzlerin Merkel in den kommenden zwei Jahren im Sitzungssaal unterhalb des Phönix-Wandgemäldes Platz nehmen, wird es immer auch darum gehen, ob und wie Deutschland in einer Welt, in der die USA sich unter Trump als Ordnungsfaktor immer stärker zurückziehen, bereit ist, zumindest einen Teil der Lücke zu schließen. Zum einen an der Spitze einer von Maas ausgerufenen globalen "Allianz der Multilateralisten", die allerdings bisher nur recht vage Konturen angenommen hat. Zum anderen mit Hilfe einer Europäischen Union, die nach dem Willen Deutschlands und Frankreichs außenpolitisch erwachsener werden soll. Man wolle "neue Möglichkeiten prüfen, wie die EU-Entscheidungsfindung in unserer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschleunigt werden kann", beschlossen beide Regierungen während ihrer gemeinsamen Kabinettssitzung im Sommer in Meseberg.

Auch der UN-Sicherheitsrat spielt in diesen Überlegungen eine Rolle - allerdings ist nicht ganz klar, welche. Seit Jahren tritt Deutschland für eine Reform ein.

In den kommenden Jahren werden Frankreich und Deutschland versuchen, auf der Weltbühne einig aufzutreten. Eine besondere Gelegenheit bietet sich im März und April. Zuerst führt Frankreich, dann Deutschland den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat. Beide Länder haben bereits eine "jumilalage" angekündigt, einen gemeinsamen Doppelvorsitz.

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