Was für ein Aufwand doch betrieben wird, um die Mächtigen dieser Welt zu schützen, die bösen wie die guten. Zu Recht natürlich, die Geschichte lehrt, dass sie gefährlich leben. Wenn Präsidenten und Diktatoren verreisen, ist immer eine Vorhut des Sicherheitsapparats schon vor Ort, inspiziert und sichert notfalls die Orte, an denen sie auftreten, die Routen dahin – und die Hotels, in denen sie übernachten. Diese Hotels bleiben in aller Regel bis zuletzt geheim.
Nun hat die französische Zeitung Le Monde in einer Recherche herausgefunden, dass bei allem Aufwand, der da zum Beispiel für die Sicherheit der Präsidenten Emmanuel Macron, Joe Biden und Wladimir Putin betrieben wird, ein banales Detail übersehen wurde, nämlich die Fitness-App Strava, die auch von vielen Bodyguards genutzt wird. Strava, muss man dazu wissen, ist auch ein soziales Netzwerk. Die Nutzer messen und registrieren damit ihre körperliche Leistung etwa beim Joggen, Radfahren und Rudern nicht nur für sich selbst, als stolze Vergewisserung für die heroische Überwindung des inneren Schweinehundes, Mal um Mal und in der Summe als Wochen- und Jahresbilanz. Sondern sie teilen die Daten mit den Menschen, die ihnen dabei folgen. Es gibt auch eine Kommentarfunktion: Die Follower können dem Sportler zu seinen Leistungen gratulieren. Wer mag schon ohne Lob leben?
Wo das Paar Macron in London wohnt, ahnt man bei der App Strava schon drei Tage vorher
Le Monde fand die – wohlgemerkt – öffentlichen Profile von zwölf Bodyguards aus der „Groupe de Sécurité de la Présidence de la République“, der Leibwache der französischen Präsidentschaft. Und glich deren Aktivitäten auf Strava mit den Dienstreisen ab, die Macron und dessen Amtsvorgänger François Hollande zwischen 2016 und 2024 absolviert haben.
Nun, in mehr als hundert Fällen fanden sie Übereinstimmungen: Die Leibwächter reisten jeweils zwei, drei Tage vor den Präsidenten an, wohnten in den geheim gehaltenen Hotels, in denen dann die Präsidenten wohnen sollten. Und da sie nicht ohne körperliche Ertüchtigung sein können, joggten sie um die Blöcke. Start- und Endpunkt des Laufs? Das Hotel.
Ein Beispiel: Als Herr und Frau Macron im September 2022 zur Trauerfeier für Queen Elizabeth in London erwartet wurden, war nicht klar, wo sie übernachten würden. Einer von Macrons Bodyguards joggte in den drei Tagen davor immer von und zum Hotel Savoy, geolokalisiert von Strava, samt Streckenlänge und Renndauer. Die Macrons wohnten dann im Hotel Savoy.
Im Secret Service des Weißen Hauses, dem Sicherheitsdienst amerikanischer Präsidenten, fand Le Monde gar 26 Bodyguards mit öffentlichen Profilen auf Strava. Viele von ihnen treten da mit ihrem vollen Namen auf und teilen Fotos, auch mal solche, die sie bei der Weihnachtsfeier für Bedienstete im Weißen Haus zeigen. Wenn man weiß, wie massiv die Sicherheitsvorkehrungen für amerikanische Präsidenten ist, ist das schon sehr bemerkenswert. Le Monde fand heikle Daten rund um Reisen von Joe Biden und davor von Donald Trump sowie von deren Gemahlinnen. Secret Service? Geht so.
Putins Leibwächter laufen um ein Luxusanwesen am Schwarzen Meer
Auch Putin, der für seinen Vorsichtswahn bekannt ist, kein Handy und keinen Computer mit Internetanschluss nutzt, hat in den Reihen seiner Personenschützer solche, die ganz offen mit ihren Leistungsdaten umgehen. Als der russische Präsident im September 2023 den nordkoreanischen Herrscher Kim Jong-un treffen sollte, galt der Ort des Treffens lange als geheim, top secret. Am ehesten, hieß es, würden sie sich in Wladiwostok sehen. Sie trafen sich dann aber da, wo Putins Leute in den Tagen vor dem Termin joggten: in Blagoweschtschensk, tausend Kilometer von Wladiwostok entfernt. Bei anderen Gelegenheiten joggten Putins Bodyguards rund um ein prunkvolles Anwesen am Schwarzen Meer, dessen Bau eine Milliarde Euro gekostet haben soll und von dem Putin behauptet, es sei nicht seines. Die App Strava zeichnete alles auf, für alle sichtbar.
Die Recherche war so einfach, dass Le Monde nur zwei Journalisten darauf ansetzen musste, die Zeitung fragt: „Was könnten wohl erst Geheimdienste herausfinden mit diesen Daten?“
Le Monde kontaktierte das Élysée mit präzisen Fragen. Die Antwort aus dem französischen Präsidialamt war betont gelassen: Die Folgen der Nutzung dieser App seien „unwesentlich“, es gebe keine Sicherheitslücke, das Risiko sei „total inexistent“. Le Monde schrieb auch dem Weißen Haus, das nun offenbar neue Weisungen im Umgang mit solchen Apps prüft. Und der Kreml? Der antwortete natürlich nicht.