Sicherheitskonferenz:Die Klimakrise rückt in den Hintergrund

Sicherheitskonferenz: Ein Mädchen sammelt Fischlaich in Bangladesch.

Ein Mädchen sammelt Fischlaich in Bangladesch.

(Foto: Zabed Hasnain Chowdhury via www.imago-images.de/imago images/ZUMA Wire)

Die Sicherheitskonferenz belegt, wie sehr die Sorgen rund um die Ukraine derzeit andere Themen an den Rand drängen - etwa den Kampf gegen die Erderhitzung.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Was Katastrophen angehe, sagt Abdul Momen, leiste sein Land gerne Entwicklungshilfe. Energie, nur mal zum Beispiel, werde in Bangladesch schon länger nicht mehr ebenerdig erzeugt, sondern eine Etage drüber. "Da haben wir unsere hausgemachte Technologie", sagt Momen schmunzelnd. "Vielleicht können wir damit anderen helfen." Den USA zum Beispiel, setzt Bangladeschs Außenminister noch hinzu, für den nächsten Wirbelsturm. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz ist es einer der wenigen Momente, in denen diese andere Krise auch sichtbar wird, die des Klimas - neben der akuten Krise in der Ukraine.

Den Umstand beklagen viele auf der Konferenz, auch Kanzler Olaf Scholz. Hinter dem drohenden Krieg fielen "in der öffentlichen Debatte selbst globale Herausforderungen wie die Pandemie und der Kampf gegen den Klimawandel zurück", sagt er. "Dabei bedürfen sie dringend einer Antwort." Aber es ist eben nur ein Aspekt, den diesmal alle nur irgendwie anschneiden. Selbst die Grüne Annalena Baerbock, als Außenministerin neuerdings auch für die internationale Klimapolitik zuständig, macht am Schluss ihrer Rede lediglich einen kleinen Schlenker zu "globalen Herausforderungen wie der Klimakrise". Ansonsten: Ukraine, Ukraine, Ukraine.

Dabei hatte der Direktor des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung, Johan Rockström, der Konferenz noch einmal nach Kräften ins Gewissen geredet. "Wir sind auf dem Weg ins Desaster", warnte der Wissenschaftler zum Auftakt eines Klimapanels. Geschehe nichts, würden bis 2070 mehr als drei Milliarden Menschen in Regionen leben mit einer jährlichen Durchschnittstemperatur von über 29 Grad Celsius. Und schon heute fänden sechs der zehn größten UN-Friedensmissionen in Regionen statt, die besonders unter dem Klimawandel leiden. "Wir haben es mit einem globalen Sicherheitsthema zu tun", sagt Rockström. Nur ist das andere Sicherheitsthema eben viel greifbarer.

Klimaschutz - ein fernes Ziel

Globale Kooperation war eigentlich zuletzt zunehmend in den Fokus der Klimapolitik gerückt. Beim Klimagipfel in Glasgow hatten sich alle möglichen Allianzen rund ums Klima gebildet, zum Schutz von Wäldern, zum Abschied von Kohle und Verbrennungsmotor, zum Ausstieg aus der Finanzierung fossiler Projekte. Allerdings funktioniert Kooperation für das ferne Ziel Klimaschutz oft nur solange, wie sie nicht von Konflikten erschüttert wird. "Beim Klimawandel gewinnen wir das Rennen derzeit nicht, wir verlieren es", warnt UN-Generalsekretär António Guterres in München - den aber andere Sicherheitsfragen derzeit auch erkennbar mehr plagen.

Bangladeschs Außenminister Momen hat auch mit den Sicherheitsdimensionen des Klimawandels so seine Erfahrungen, er kann sie plastisch erzählen. In seinem flachen Land treibe ein steigender Meeresspiegel Menschen zunehmend in die Städte, wo sie dann in Slums landeten, sagt er in einer Klimarunde der Konferenz. "Diese Migration wird ein Sicherheitsproblem schaffen, für den ganzen Planeten Erde."

"Dann ist da keine Netto-Null bis 2050."

Auch John Kerry ist dabei, der Klima-Sondergesandte von US-Präsident Joe Biden. Alle Fragen zum Zusammenhang zwischen Ukraine-Krise und Klimapolitik umschifft er, aber zur Klimakrise ist er deutlich wie eh und je. Die Probleme beschleunigten sich, sagt er. "Nur wir tun es nicht." Wenn es etwa nicht gelinge, bis 2030 die globalen Emissionen um 45 Prozent zu senken, "dann ist da keine Netto-Null bis 2050. Dann werden wir an den 1,5 Grad Celsius vorbeischrammen" - jene 1,5 Grad, auf die das Klimaabkommen von Paris die Erderhitzung im besten Fall begrenzen will. Nötig sei ein Paradigmen-Wechsel, der Abschied von fossiler Energie und allen Subventionen drumherum. Gleichzeitig aber schaffe der klimafreundliche Umbau Jobs für Ingenieure, Architekten, Elektriker. "Der am schnellsten wachsende Beruf in Amerika im letzten Jahr war der von Windturbinen-Mechanikern", sagt Kerry.

Und da ist in München sogar der Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate bei ihm, Sultan Al Jaber. Selbst die Emirate, reich geworden mit Öl und Gas, müssten nun massiv in erneuerbare Energien und eine klimaneutrale Zukunft investieren, sagt er, "um unsere Stellung am Energiemarkt zu erhalten". Nur sei die Klimadebatte oft zu emotional und zu wenig pragmatisch geführt worden. "Wir haben über Ziele gesprochen, aber nicht über die Umsetzung", sagt Al Jaber.

Wenn bloß im Falle eines Krieges nicht beides unter die Räder kommt. "Ich bin eigentlich immer optimistisch", sagt Bangladeschs Minister Momen. Dennoch kämen da immer wieder Dinge dazwischen, wie jetzt die Ukraine-Krise. "Meine Sorge ist: Wird es den Klimaschutz verzögern - oder lässt es ihn entgleisen?" Keiner weiß es, an diesem Wochenende in München.

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