Süddeutsche Zeitung

Sicherheitskonferenz:Guttenberg, die Nato und eine "gepflegte Absurdität"

Kritik vom deutschen Verteidigungsminister: Guttenberg stellt bei der Sicherheitskonferenz in München ein zentrales Prinzip bei der Nato in Frage.

Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat die Abstimmungsmodalitäten in der Nato kritisiert. In der Debatte über die Zukunft des transatlantischen Bündnisses auf der Münchner Sicherheitskonferenz sagte der CSU-Politiker, das Prinzip der Einstimmigkeit in allen Gremien der Nato sei eine "gepflegte Absurdität". Er sprach sich außerdem gegen eine globale Rolle der Allianz aus. Guttenberg stellt sich damit gegen Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, der die Allianz zu einem Gravitationszentrum in Sicherheitsfragen umgestalten möchte.

Die Nato arbeitet derzeit an einem neuen strategischen Konzept, das im Herbst stehen soll. Rasmussen und Guttenberg betonten beide, dass die in Artikel fünf festgelegte Beistandspflicht der Kern des Bündnisses bleiben müsse. Rasmussen sagte: "Die Allianz sollte zum Zentrum eines Netzwerks von Sicherheitspartnerschaften werden." Er verwies auf den internationalen Einsatz in Afghanistan, an dem 44 Staaten beteiligt sind. Die Isaf-Mission zeige, dass solche Sicherheitspartnerschaften bereits existierten. Die Nato könne "eine Clearing-Stelle für alle globalen Sicherheitsfragen" werden.

Guttenberg sprach sich zwar dafür aus, dass die Nato in Sicherheitsfragen die eigenen Grenzen hinter sich lassen müsse, aber "wir wollen aus der Allianz keine globale Sicherheitsarchitektur machen". Guttenberg und Rasmussen betonten beide, dass die Nato nicht in Konkurrenz zu den Vereinten Nationen treten dürfe. Rasmussen sagte, dass die UN von einer Nato mit einem globalen Ansatz profitieren könnte. Die Allianz könne dafür sorgen, dass UN-Resolutionen umgesetzt werden.

Guttenberg nannte den "Konsens die Stärke der Allianz", sprach aber ausdrücklich nicht von Einstimmigkeit. "Koalitionen der Willigen und Unwilligen" könnten diesen Konsens nicht ersetzen, warnte er.

"Wir reden zu viel und wir erreichen zu wenig", sagte er. Die Militärallianz habe noch immer den Ruf, dass sie ihren Daseinszweck verloren habe. Für die geplante neue Strategie des Bündnisses wünsche er sich mutige und pragmatische Vorschläge, sagte der Minister. Die Zeit der "Fensterreden" müsse vorbei sein.

Für raschen Abschluss des Afghanistan-Einsatzes

Einig sind sich Rasmussen und Guttenberg in ihrer Forderung nach einem möglichst raschen Ende des Anti-Terror-Einsatzes in Afghanistan. Rasmussen sagte, Afghanistan sei ein souveränes Land und müsse dazu kommen, sich selbst zu verteidigen. Es solle noch in diesem Jahr damit begonnen werden, Teile der "Sicherheitsverantwortung" an die afghanische Regierung zu übergeben. Offen sei allerdings, wann dieser Prozess abgeschlossen werden könne.

Guttenberg forderte von der afghanischen Regierung deutliche Beiträge zur Stabilisierung des Landes. Die Nato werde ihre Truppen zunächst noch aufstocken und helfen, den Einfluss der Taliban zurückzudrängen. Die Bundeswehr vervierfache die Zahl ihrer Ausbilder für die afghanischen Sicherheitskräfte. Aber "es ist an den Afghanen selbst, die Zukunft des Landes in die Hände zu nehmen", sagte Guttenberg. Karsai müsse auf dem Weg der Eigenverantwortung vorankommen und beweisen, dass die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllt werden.

Guttenberg fügte hinzu, es habe in der Vergangenheit zwar Fehler beim Afghanistan-Einsatz der Nato gegeben. Mit der jetzt beschlossenen Truppenaufstockung und den veränderten Schwerpunkten sei man aber auf dem "richtigen Weg". Der CSU-Politiker versicherte, die US-Regierung könne sich auf die Solidarität Deutschlands verlassen. So werde die Bundesregierung die Zahl der militärischen Ausbilder mehr als vervierfachen.

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