Sicherheitskonferenz:Die Europäische Union ist alles andere als in Bestform

Sicherheitskonferenz: Ein Demonstrant nach einer Pro-Europa-Kundgebung in London: Nach dem Brexit müssen sich die verbliebenen Mitgliedstaaten in der Europäischen Union neu sortieren.

Ein Demonstrant nach einer Pro-Europa-Kundgebung in London: Nach dem Brexit müssen sich die verbliebenen Mitgliedstaaten in der Europäischen Union neu sortieren.

(Foto: Justin Talls/AFP)

Die EU ringt nach den Schockwellen durch Brexit und Trump noch mit ihrer neuen Realität. Doch gerade das zwingt die Mitgliedsstaaten, sich ihrer Ziele zu besinnen.

Kommentar von Tobias Matern

Die Europäische Union hat einen Weckruf erhalten, den sie vor allem als Chance verstehen sollte. Ausgerechnet die neue US-Regierung bietet ihr die Gelegenheit zur Erneuerung und Modernisierung. Die Münchner Sicherheitskonferenz wäre ein guter Ort zur Selbstvergewisserung gewesen. Allein: Europa wird sich schwer tun mit seiner Chance.

Vor 60 Jahren wurden die Römischen Verträge unterzeichnet. Daraus erwuchsen: grenzenloses Reisen, Arbeiten, eine Währung - letztlich und vor allem aber der innereuropäische Friede. Daran zu erinnern nutzt gerade wenig. Die Abneigung gegen die Gemeinschaft ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Der Populismus treibt mit Halbwahrheiten die Integration auseinander. Das Wahljahr 2017 wird für die verbliebenen europafreundlichen Enthusiasten weitere Zumutungen bringen: Die Populisten in den Niederlanden, Frankreich und auch Deutschland werden sich von diesem Europa stramm abgrenzen. Damit gewinnt man Stimmen.

Besinnung auf gemeinsame Werte

Der amerikanische Präsident ist in seinem ersten Monat vielfach auffällig geworden - nicht aber als Versöhner. Für Europa hält er die Auskunft parat, die Partner müssten mehr für sich selbst sorgen. Sein Vizepräsident verschönerte die Formel auf: Wir sind für Euch da, wenn Ihr für uns da seid. Diese Konditionalisierung ist neu, sie zwingt die Europäer geradezu, sich über ihre Ziele einig zu werden. Dabei geht es nicht allein um das Militärische und Europas Bekenntnis zur Lastenteilung in der Nato. Vielmehr muss Europa Werte verteidigen, die von Donald Trump neuerdings infrage gestellt werden.

Die diversen Auftritte der neuen amerikanischen Regierung in den vergangenen Tagen, die moderaten Reden von Vizepräsident Mike Pence und Verteidigungsminister James Mattis, haben zwar einige Sorgen eingefangen. An der grundsätzlichen Haltung der Trump-Regierung kann aber wenig Zweifel bestehen: Der Präsident empfindet die transatlantische Partnerschaft allenfalls als Zweckbündnis für Krisenzeiten, sie ist ihm keine Herzensangelegenheit. Der honorige Senator John McCain mag das transatlantische Fähnchen hochhalten, aber er gehört inzwischen einer Minderheit an.

USA nicht die einzige Sorge der EU

Die EU ringt noch mit dieser neuen Realität. Sie hat auch andere Sorgen als die Neuausrichtung ihres Verhältnisses zu den USA. Die Spaltkraft der Populisten hat die Gemeinschaft längst erreicht, Trump ist da nur ein hilfreiches Vorbild. Der Vizepräsident der Kommission wirft dem polnischen Außenminister auf offener Bühne vor, im Streit um Warschaus Eingriffe in den Justizapparat "alternative Fakten" zu verbreiten. Auch der Brexit-Schock sitzt tief, es stehen schwierige Austrittsverhandlungen an. Zugeständnisse an London würden die Fliehkräfte verstärken. Großbritanniens Außenminister Boris Johnson spielt nicht minder mit den Wahrheiten.

Europa ist verletzbar geworden, nicht nur aus den USA. Eine Portion mehr Selbstbewusstsein würde helfen. Die Union kann sie sich durchaus erlauben.

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