Sicherheit:Mehr als ein Streifenwagen

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Ein Brandanschlag auf eine Berliner Moschee im Jahr 2018. Seitdem haben islamfeindliche Attacken abgenommen. (Foto: Paul Zinken/dpa)

Vertreter der Muslime, Politiker und Experten debattieren, inwiefern stärkerer Polizeischutz sinnvoll ist.

Von Jan Bielicki

Das Schreiben, das am Mittwochnachmittag im Büro der Fatih-Moschee im Bremer Stadtteil Gröpelingen einging, enthielt rassistische Parolen - und eine Drohung: Am nächsten Tag werde hier eine Bombe hochgehen. Polizisten räumten sofort das Gebetshaus, Spürhunde schnüffelten nach Sprengstoff. Sie fanden nichts. Vor der Moschee steht seither ein Streifenwagen.

Keine Woche vergeht, in der nicht irgendwo in Deutschland muslimische Einrichtungen beschmiert, Fenster eingeschlagen, Korane zerrissen, Gemeindemitglieder beschimpft oder bedroht werden. Acht solcher Angriffe auf Moscheen zählte die Initiative "#brandeilig" allein in diesem Februar. Und viel schlimmer sollte sein, was die zwölf Männer geplant haben sollen, die am vergangenen Freitag unter Terrorverdacht inhaftiert wurden. Zehn Moscheen gleichzeitig wollten sie, so Erkenntnisse der Ermittler, mutmaßlich überfallen und auf Betende schießen.

Der Anschlag in Hanau traf zwar nicht Menschen in Moscheen, sondern in und vor Lokalen. Doch der Täter habe sich seine Opfer ausgesucht, weil sie anders waren, sagte Zekeriya Altuğ, Sprecher der im Koordinationsrat der Muslime versammelten Islamverbände, am Freitag in Berlin: "Und dieses Anderssein hatte auch mit dem anderen Glauben zu tun." Für diesen Glauben stehen Moscheen. Auch deshalb kündigte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vor einem Treffen mit Verbandsvertretern an, man werde "sensible Einrichtungen verstärkt überwachen, insbesondere auch Moscheen".

Nicht erst jetzt fordern Muslim-Verbände, ihre Einrichtungen besser zu schützen. Schon nach den Moschee-Massakern in Neuseeland und dem Anschlag von Halle auf eine Synagoge und einen Döner-Imbiss im vergangenen Jahr hatte Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, geklagt, die deutschen Muslime fühlten sich "oft alleingelassen von den Sicherheitsbehörden".

Erst seit einem Jahr zählen die Behörden, wie viele Angriffe auf muslimische Einrichtungen und Repräsentanten es überhaupt gibt. 2019 waren es 184, wie das Innenministerium auf eine Anfrage der Bundestags-Grünen schrieb. Brandanschläge gab es etwa in Hagen, Dortmund und Duisburg, ein Jahr zuvor in Berlin-Reinickendorf. "Man sollte sich nun die Gefährdungsprognosen genauer ansehen", empfiehlt Jörg Radek, Vizevorsitzender der Gewerkschaft der Polizei.

An eine lückenlose Überwachung der mehr als 2500 Moscheen in Deutschland denkt dabei niemand. "Es muss sich vor allem die Kooperation zwischen Gemeinden und Sicherheitsbehörden verbessern", sagt "#brandeilig"-Projektleiter Yusuf Sari. Auch fehlten Programme, den Moscheegemeinden beim Einbau von Sicherheitstechnik wie etwa Kameras beizustehen.

Die zuständigen Bundesländer planten auch nach dem Auffliegen der mutmaßlichen Rechtsterrorgruppe nicht, die Sicherheitsmaßnahmen für Moscheen zu verstärken, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur epd in den Landesministerien ergab. In Nordrhein-Westfalen hat Innenminister Herbert Reul (CDU) die Polizei nun jedoch angewiesen, in Stadtvierteln mit hohem Anteil von Muslimen vermehrt Präsenz zu zeigen. Vorschläge, verstärkt Shisha-Bars unter Polizeischutz zu stellen, hält er aber für wenig praktikabel und verwies auf die Keupstraße in Köln-Mülheim, wo viele Muslime leben - und NSU-Terroristen 2004 mit einer Nagelbombe 22 Menschen zum Teil schwer verletzten. "Was nützt es, dort nur gezielt eine Shisha-Bar zu schützen?", fragte Reul, um selbst zu antworten: "Wenig! Denn ein Terrorist wie in Hanau könnte genauso töten, indem er dieselben Menschen nebenan in einem Dönerladen, einer Kneipe oder einem Friseurladen angreift. Nein, nur Shisha-Bars zu bewachen, das bringt nichts."

Der Muslim-Vertreter Altuğ warnte, "ein Polizeibeamter vor jeder Moschee" könne "auch kontraproduktiv" sein. Der beste Schutz sei ohnehin, die Muslime "als gleichberechtigte Bürger dieses Landes anzuerkennen".

© SZ vom 22.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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