Sichere Herkunftsstaaten:Der große Etikettenschwindel

Wie der Grüne Winfried Kretschmann zum unsicheren Kantonisten wird.

Von Heribert Prantl

Das Unrecht geht heute einher mit sicherem Schritt: Mit diesem Satz beginnt Bert Brechts berühmtes Gedicht zum "Lob der Dialektik". Brecht hat recht. Wie zur Belohnung für ihren sicheren Schritt werden heute solche Staaten zu "sicheren Drittstaaten" erklärt.

Die EU-Kommission erklärt die Türkei zum "sicheren Drittstaat" - nicht weil Erdoğans Türkei so sicher ist, sondern weil man die angebliche Sicherheit für die EU-Flüchtlingspolitik braucht. Und die deutsche Politik will die Maghreb-Staaten aus selbigen Gründen für sicher erklären. Sicher sind demzufolge nicht nur Staaten, die wirklich sicher sind, sondern auch diejenigen, die man aus Nützlichkeitserwägungen für sicher erklärt. Bisher galt es auch als sicher, dass der grüne Ministerpräsident Kretschmann diesen Etikettenschwindel mitmacht.

In der Vergangenheit hatte er diesen Schwindel verteidigt, weil er meinte, es gebe für die Flüchtlinge trotzdem eine funktionierende Einzelfallprüfung. Das stimmt aber nicht: Flüchtlinge aus diesen Ländern grundsätzlich abzulehnen, ist ja Sinn der Gesetze, mit denen unsichere Staaten zu sicheren erklärt werden. Kretschmann merkt daher nun, dass er mit seiner bisherigen Begründung nicht weiterkommt. Thomas Strobl, Chef der Ba-Wü-CDU, Koalitionspartner Kretschmanns, kostet diese Situation aus. Er will den Ministerpräsidenten als unsicheren Kantonisten erscheinen lassen. Es wird ihm gelingen.

© SZ vom 14.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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