Sichere Herkunftsstaaten:Abschreckende Ankündigung

Sichere Herkunftsstaaten: Mit Blumen protestiert ein marokkanischer Flüchtling in Köln gegen Übergriffe krimineller Landsleute. Seine Chancen, bleiben zu dürfen, sind gering.

Mit Blumen protestiert ein marokkanischer Flüchtling in Köln gegen Übergriffe krimineller Landsleute. Seine Chancen, bleiben zu dürfen, sind gering.

(Foto: Patrick Stollarz/AFP)

Aus Nordafrika kommen deutlich weniger Flüchtlinge als bisher. Dabei sind die schärferen Asyl-Regeln für sie noch gar nicht in Kraft.

Von Stefan Braun, Berlin

Die geplante Verschärfung des Asylrechts für Menschen aus den Maghreb-Staaten Algerien, Tunesien und Marokko entfaltet offenbar schon eine Wirkung, bevor sie überhaupt beschlossen worden ist. Nach jüngsten Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sank die Zahl der neu in Deutschland registrierten Flüchtlinge aus den drei nordafrikanischen Staaten seit Jahresanfang stark. Demnach kamen im Januar noch 3400 Menschen von dort nach Deutschland, im Februar waren es noch knapp 600, im März dann 480. Im November und Dezember 2015 waren es jeweils sogar deutlich mehr als 5000 Flüchtlinge gewesen.

In Regierungskreisen hieß es am Montag, der deutliche Rückgang könne durchaus schon mit den Plänen der Regierung zusammenhängen, diese Länder als sogenannte sichere Herkunftsländer einzustufen. Allein die Verbreitung dieser Ankündigung in den klassischen Medien und den sozialen Netzwerken habe offenbar dazu beigetragen, dass sich weniger Menschen von dort auf den Weg nach Europa machten, hieß es.

Marokko, Algerien, Tunesien - Caritas und Diakonie sind gegen neue sichere Herkunftsländer

Tatsächlich strebt die Koalition schon seit Längerem an, nach den sechs Staaten des Westbalkans auch Marokko, Algerien und Tunesien diesen Status zu geben. Nach Einschätzung des Bamf hätte dies für Flüchtlinge aus diesen Ländern gravierende Folgen; das wurde am Montag in einer Anhörung des Innenausschusses des Bundestags noch einmal deutlich. Wie eine Vertreterin des Bamf vor den Abgeordneten darlegte, wären mit einer solchen Einstufung zahlreiche Verfahrensbeschleunigungen verbunden, die von Kritikern als Asylverschärfungen kritisiert werden. Das beginnt damit, dass alle Bewerber aus diesen Staaten in besonderen Aufnahmeeinrichtungen untergebracht würden, in denen die Verfahren auf eine Woche verkürzt werden. Außerdem herrscht dort eine strenge Wohnpflicht bis zum Ende des Verfahrens.

Ist das Verfahren negativ beschieden, schließen sich weitere strenge Regeln an. Entweder werden die Menschen schnell ausgewiesen oder abgeschoben. Oder ihnen drohen Leistungskürzungen, sollten sie aus rechtlichen Gründen nicht abgeschoben werden können. Zudem herrscht für sie auch dann ein striktes Arbeitsverbot, wenn sie für längere Zeit nicht in ihr Heimatland zurückgeschickt werden können. Und schließlich kann für alle, deren Antrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt wird, ein befristetes Einreiseverbot verhängt werden.

Allerdings gibt es gegen diese Pläne nach wie vor erheblichen Widerstand. Nicht nur Amnesty International lehnt sie ab; Widerspruch kommt auch von der Caritas, der Diakonie und dem Deutschen Institut für Menschenrechte. Amnesty kritisiert, dass mit dem Konzept eine völkerrechtlich notwendige, sorgfältige und unvoreingenommene Einzelfallprüfung verhindert werde. "Die Gefahr steigt, dass der Schutzbedarf einer Person nicht erkannt wird und sie in die Verfolgung abgeschoben wird", heißt es bei Amnesty.

Diakonie und Caritas beklagen vor allem die Folgen für jene, deren Antrag abgelehnt wird, die aber aus anderen humanitären Gründen nicht zurückgeschickt werden dürfen. Beide kirchlichen Organisationen warnten in der Anhörung, es sei sehr problematisch, dass sich mit dem Status auch im Fall der Nichtabschiebung schwerwiegende Konsequenzen verbinden würden. Besonders kritisch sehen sie das strikte Arbeitsverbot.

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