Haushaltsstreit:Für viele Amerikaner wird der Shutdown existenzbedrohend

  • Donald Trump hat eine neue Verhandlungsrunde über den Shutdown platzen lassen, weil er kein Geld für seine Mauer bekommt.
  • Menschen müssen deshalb ohne Einkommen arbeiten, verlieren ihre Jobs, laufen Gefahr zu hungern und ihre Wohnungen zu verlieren.
  • Behörden-Mitarbeitern wird geraten, sich andere Geldquellen zu suchen. Ein Garagenflohmarkt etwa. Oder Hunde ausführen.

Von Thorsten Denkler, New York

US-Präsident Donald Trump hatte an diesem Mittwoch nur eine Frage an die neue Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi: "Werden Sie meiner Mauer zustimmen?" Die Demokratin sagte wenig überraschend: "Nein." Trump stand danach auf und verließ das Meeting im Weißen Haus. Wenig später twitterte er, das Treffen sei "eine einzige Zeitverschwendung" gewesen.

Für etwa 800 000 Bundesangestellte und Millionen Amerikaner ist das eine schlechte Nachricht. Trump hatte es kurz vor Weihnachten vorgezogen, Teile des Regierungsapparates ins Wachkoma zu versetzen, statt auf 5,7 Milliarden Dollar für sein so umstrittenes wie wohl auch nutzloses Mauer-Projekt an der Grenze zu Mexiko zu verzichten. Wenn bis Sonntag keine Lösung gefunden wird, dann ist dieser Shutdown der längste in der US-Geschichte. Trump hat bereits angedroht, ihn noch Monate, wenn nicht Jahre aufrechterhalten zu wollen, sollte der Kongress seine Forderung nicht erfüllen. Die Demokraten aber haben klargemacht: Geld für die Mauer wird es nicht geben.

So langsam zeigt der Shutdown Wirkung. Es geht nicht mehr allein um geschlossene Nationalparks und zugemüllte Grünflächen. Die 800 000 Bundesbediensteten etwa bekommen seit Beginn des Shutdowns am 22. Dezember kein Gehalt mehr. Rechnungen können nicht bezahlt werden, die Raten für das Haus oder das Auto werden nicht bedient. Glücklich, wer etwas auf der hohen Kante hat. Für alle anderen beginnt - und das ist keine Übertreibung - ein Existenzkampf.

"Ärmel hochkrempeln und den Bleistift spitzen"

Die US-Küstenwache etwa hält für ihre vom unbezahlten Zwangsurlaub betroffenen Mitarbeiter schriftliche Ratschläge bereit, wie sie finanzielle Engpässe überwinden können. Sie sollen sich rechtzeitig mit Kreditgebern in Verbindung setzen und ihre Ausgaben prüfen: "Ärmel hochkrempeln und den Bleistift spitzen", steht da allen Ernstes. Und: Geld lasse sich auch auf anderen Wegen verdienen. "Seien Sie kreativ", heißt es. Mit einem Garagenflohmarkt etwa. Oder als Dienstleister: Hunde Gassi führen, babysitten, Sport- oder Musikunterricht geben. "Machen Sie aus Ihrem Hobby ein Einkommen." Als wäre ein Shutdown nicht mehr als eine persönliche Challenge.

Betroffen sind auch die mehr als 51 000 Mitarbeiter der Flug- und Transportsicherheitsbehörde TSA, die vor allem an Flughäfen die Reisenden kontrollieren. Sie gehören zu jenen 420 000 Bundesmitarbeitern, die weiter arbeiten gehen müssen, obwohl sie während des Shutdowns kein Geld bekommen. Schon jetzt ist zu beobachten, dass sich überdurchschnittlich viele TSA-Mitarbeiter krankmelden. Ähnliches gilt für die Mitarbeiter, die in den Towern der Airports die startenden und landenden Flugzeuge dirigieren. Manche überlegen schon, Nebenjobs anzunehmen, um wenigstens die Miete zahlen zu können. Der Shutdown könnte den Luftverkehr in den USA noch in ernsthafte Gefahr bringen, sagen Branchenvertreter.

Auch Bundesgefängnisse stehen jetzt vor Problemen. Auch deren Mitarbeiter müssen ohne Bezahlung weiterarbeiten. Die Angestellten im Bundesgefängnis Marianna in Florida stehen vor einer besonderen Herausforderung. Ihr Gefängnis hatte im Herbst in einem Hurrikan große Teile des Daches verloren. Die Insassen und ihre Wärter mussten deshalb in ein 650 Kilometer entferntes Ausweichquartier übersiedeln. Die Wärter pendeln seitdem alle zwei Wochen hin und her. Sie bekommen derzeit nicht nur kein Gehalt ausgezahlt. Auch die Fahrt- und Verpflegungskosten während des Shutdowns werden nicht erstattet. Pro Trip kommen da schnell ein paar Hundert Dollar zusammen. In Marianna wächst jetzt zudem die Sorge, dass das Gefängnis nach dem Shutdown gleich ganz geschlossen bleiben könnte. Mehr als 7000 Einwohner hängen direkt oder indirekt von diesem Arbeitgeber ab.

Wohl dem, der auf Ersparnisse zurückgreifen kann

Auch ganz einfache Existenzen sind betroffen. In Washington gibt es Plätze, an denen fast ausschließlich Bundesbehörden angesiedelt sind. Wer dort ein Café oder eine kleine Bude betreibt, der hat jetzt eine schwere Zeit. Mike Yohannes etwa gehört ein Lebensmittelstand in Downtown Washington. Seit 20 Jahren schon. Der Zeitung USA Today berichtet er, dass dieser Shutdown der Todesstoß für sein Geschäft sein könnte. Ihm seien 60 Prozent der Einnahmen verloren gegangen, weil die Bundesmitarbeiter nicht mehr zum Einkaufen kommen. Wenn das so weitergehe, dann müsse er sich nach einem neuen Job umsehen, sagt er.

Oder Sunny Blaylock. Sie lebt in Arlington, Virginia. Keine Autostunde von Washington entfernt. Sie hat für USA Today aufgeschrieben, wie sie wegen des Shutdowns ihren Job verlor, den sie erst kürzlich angetreten hatte. Ihre Firma entwickelt Lernprogramme für Diplomaten, die ins Ausland geschickt werden. Mit dem Shutdown aber hat die Regierung alle Verträge mit Dienstleistern auf Eis gelegt. Derzeit weiß keiner, wie es weitergeht. Ihr Arbeitgeber musste Sunny Blaylock gehen lassen. Sunnys Mann, der im Außenministerium angestellt ist, hat noch Arbeit. Ob jedoch der nächste Gehaltsscheck kommt, und wenn ja, wann - er weiß es nicht.

Und dabei hat Sunny Blaylock noch Glück. Sie und ihr Mann haben etwas Geld gespart. Andere Menschen aber sind abhängig von Hilfsprogrammen des Bundes. Für einen Ureinwohnerstamm der Chippewa in Michigan wird der Shutdown richtig teuer. 100 000 Dollar kostet er den Stamm - jeden Tag. So viel Geld zahlt der Bund normalerweise, um die Krankenhäuser des Stammes zu finanzieren und die Essenausgaben für Arme zu unterstützen. Noch kann der Stamm die Mehrkosten aus Rücklagen stemmen. Aber das geht vielleicht noch ein oder zwei Wochen gut. Dann wird die Gesundheitsversorgung auf ein Minimum reduziert werden müssen. Dass der Bund normalerweise für die Kosten aufkommt, haben die verbliebenen Stämme in mühsamen Verhandlungen erkämpft. Als Gegenleistung für das Land, das ihnen die weißen Neuankömmlinge geraubt haben, als sie Amerika eroberten.

Essensmarken und Mietzuschüsse stehen auf dem Spiel

Etwa 38 Millionen Amerikaner sind von Essensmarken abhängig, die meist von den Bundestaaten zusammen mit dem Bund finanziert werden. Die Trump-Regierung hat mit einem Buchungstrick die Finanzierung immerhin noch für Februar gesichert. Aber wenn Trump Ernst macht und den Shutdown womöglich über Monate aufrechterhält, dann wissen bald Millionen Amerikaner nicht, was sie essen sollen. Schon jetzt können 2500 Lebensmittelgeschäfte die Essenmarken nicht mehr annehmen, weil die zuständige Bundesbehörde die dafür nötigen Lizenzen nicht verlängern kann.

In Gefahr sind auch die Bundeszuschüsse zum Schulessen. Vor allem in armen Gegenden ist das Schulessen für viele Kinder oft die die einzige Mahlzeit am Tag. Betroffen sein könnten auch 7,3 Millionen bedürftige Mütter und ihre unter fünfjährigen Kinder, die nur dank eines spezielles Ernährungsprogramms des Bundes ausreichend mit Nahrung versorgt werden. Spätestens ab März könnte es für sie eng werden.

Große Probleme könnten auch Bedürftige bekommen, die auf Mietzuschüsse angewiesen sind. Das sind etwa 270 000 Familien im ländlichen Raum, die von der Agrarbehörde des Bundes Geld für ihre Miete erhalten. Und weitere 2,2 Millionen Amerikaner, die über solche Zuschüssen von der Wohn- und Stadtentwicklungsbehörde des Bundes ihre Wohnung sichern.

Wenn diese Behörden nicht bald wieder öffnen, dann werden auch keine Zuschüsse ausgezahlt. Was in manchen Fällen in einer Zwangsräumung enden könnte.

Eine neue Brauerei in Milwaukee - ausgebremst

Ein ganz anderes Problem bekommen gerade die Brauereien im Land. Weil die Bundesbehörde für Alkohol- und Tabaksteuer (TTB) während des Shutdowns nicht arbeitet, kann sie auch keine neuen Biersorten oder Flaschenlabels genehmigen. Die Brauerei "Indeed Brewing" aus Minnesota kann deswegen nicht wie geplant ihre neue Brauerei in Milwaukee in Betrieb nehmen. Die TTB muss sowohl die Brauerei als auch die neuen Flaschenlabel erst lizensieren. Was sie aber nicht macht. Wegen des Shutdowns.

Oder genauer: Weil Trump sein Wahlversprechen einlösen will, eine Mauer zu Mexiko zu bauen, die niemand braucht.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels war die Behörde TSA irrtümlich als Grenzschutzbehörde bezeichnet worden, tatsächlich kümmert sie sich aber um die Flug- und Transportsicherheit.

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