JapanPremier Ishiba beugt sich der Kritik

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Japans Ministerpräsident Shigeru Ishiba.
Japans Ministerpräsident Shigeru Ishiba. (Foto: Philip Fong/Pool AFP/AP/dpa)
  • Japans Premierminister Shigeru Ishiba tritt nach knapp einem Jahr im Amt zurück, nachdem die Kritik in seiner eigenen Partei LDP zu stark wurde.
  • Der gemäßigte Konservative konnte sich nicht gegen den rechten Flügel der LDP durchsetzen, der ihm seit seinem Konflikt mit Ex-Premier Abe ablehnend gegenübersteht.
  • Unter Ishiba verlor die LDP sowohl die absolute Mehrheit im Unterhaus als auch im Oberhaus, was viele Parteimitglieder als Zeichen seiner Ungeeignetheit werteten.
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Nach nicht einmal einem Jahr als Regierungschef muss der gemäßigte Konservative Shigeru Ishiba einsehen, dass er gegen den rechten Flügel der LDP nicht bestehen kann.

Von Thomas Hahn, Seoul

Bei seinem Rücktritt als japanischer Premierminister am Sonntagabend war Shigeru Ishiba wie immer. Seine Miene war unbewegt, sein Tonfall gesetzt. In klaren, ruhigen Sätzen teilte er seine Entscheidung mit, nach knapp einem Jahr im Amt nicht mehr weitermachen zu wollen als Chef der japanischen Regierung.

„Ich habe immer gesagt, dass ich zum richtigen Zeitpunkt entscheiden werde, was zu tun ist“, sagte er. Dieser Zeitpunkt sei am Freitag gekommen, als US-Präsident Donald Trump die Verfügung unterschrieb, welche die neue Handelsvereinbarung der USA mit Japan besiegelt. Demnach liegen die Zölle auf fast alle japanischen Produkte inklusive Autos nur noch bei 15 Prozent. „Meilenstein“, nannte Ishiba, 68, die Errungenschaft und erklärte damit seinen Auftrag als Premierminister für erledigt. Er habe beschlossen, „den Weg für die nächste Generation frei zu machen“.

Noch am Freitag hatte Ishiba ein neues Wirtschaftshilfepaket seiner Regierung angekündigt

Mit einer guten Nachricht aus dem Amt zu scheiden, ist immer besser als mit dem Zugeständnis, dass die Unterstützung in der eigenen Partei eingebrochen ist. Man muss es Shigeru Ishiba deshalb nachsehen, dass er bei seiner Rücktrittserklärung nicht gleich den naheliegendsten Grund für seinen Abschied anführte. Vielleicht wollte er es auch nicht wirklich wahrhaben, dass er die LDP als Premierminister nie so ganz auf seine Seite bringen konnte.

Noch am Freitag hatte Ishiba davon gesprochen, dass seine Regierung „in diesem Herbst“ ein neues Wirtschaftshilfepaket auf den Weg bringen werde. Das deuteten viele Beobachter so, als überhöre Ishiba einfach die Rufe nach seiner Absetzung. Aber am Samstagabend traf Ishiba sich mit dem Ex-Premierminister Yoshihide Suga und Agrarminister Shinjiro Koizumi, die Ishiba offensichtlich nahestehen. Und nach übereinstimmenden Medienberichten, sollen die beiden auf ihn eingeredet haben, seinen Kritikern nachzugeben, um die Partei nicht zu zerreißen. Ishiba selbst wollte zunächst wohl schon weitermachen. Angeblich soll er damit gedroht haben, das Parlament aufzulösen und damit den Weg für Parlamentsneuwahlen frei zu machen, um eine vorzeitige Wahl in der LDP um die Partei-Präsidentschaft zu verhindern.

Auch das kann man Ishiba nicht übel nehmen: dass er um sein Amt kämpfen wollte. Immerhin steht er in der LDP für die Riege der gemäßigten Konservativen, die eine nachhaltige Japan-Politik wollen. Im Gegensatz zu den rechten Anhängern des 2022 ermordeten Ex-Premiers Shinzo Abe, die bis heute von dessen Abenomics-Politik schwärmen; diese finanzierte die Hoffnung auf einen neuen Wirtschaftsboom mit ultralockerer Geldpolitik und Schulden. Ishiba war unter Abe schon Minister, dann überwarf er sich mit ihm. Seither ist Ishiba für die LDP-Rechten eine Reizfigur

Seit dem Verlust der Mehrheit in Ober- und Unterhaus denken viele in der LDP-Partei, dass Ishiba nicht geeignet ist

Es ging Ishiba also auch darum, einen Politikstil zu verteidigen, der bei der Neuwahl um die LDP-Präsidentschaft in den kommenden Wochen wieder einen Rückschlag erhalten könnte. Die Ishiba-Verächterin Sanae Takaichi und Takayuki Kobayashi, ebenfalls ein Hoffnungsträger in der Abe-Tradition, haben schon ihr Interesse bekundet, wieder für den LDP-Chefposten zu kandidieren.

Aber tatsächlich bekam Ishiba zuletzt immer mehr Gegenwind. Nicht unbedingt aus der Normalbevölkerung. Laut der Nachrichtenagentur Kyodo fanden in allgemeinen Umfragen über die Hälfte der Befragten einen Rücktritt Ishibas unnötig. Aber in der LDP sahen das viele anders. Die erfolgsverwöhnte Partei hatte unter Ishiba ja nicht nur im Oktober 2024 ihre absolute Mehrheit im Unterhaus verloren, sondern im Juli auch die im Oberhaus. Das war für viele ein klares Indiz dafür, dass Ishiba nicht geeignet ist für die Chefrolle.

Für Montag war ursprünglich eine parteiinterne Abstimmung vorgesehen zur Frage, ob es eine vorgezogene Wahl um die Parteipräsidentschaft geben sollte. Umfragen unter Parteimitgliedern sprachen dafür. Der alte einflussreiche Parteibonze Taro Aso, 84, selbst ein ehemaliger Premierminister, hatte sich ausdrücklich für eine Neuwahl ausgesprochen. Davor war die Oberhauswahl-Analyse herausgekommen. Ergebnis: Nach der großen Enttäuschung sei es nötig, „noch mal ganz von vorn anzufangen“. Prompt boten LDP-Generalsekretär Hiroshi Moriyama und drei weitere hohe Parteifunktionäre ihren Rücktritt an. Nur Ishiba bewegte sich nicht.

Am Ende bezogen auch Kabinettsmitglieder Stellung gegen Ishiba. Immer mehr kritische Stimmen kamen zusammen. Irgendwann war klar, dass die Partei erst Ruhe gibt, wenn Ishiba zurücktritt.

Und nun haben die Ishiba-Gegner also ihren Willen. Das Experiment ist gescheitert, einen Außenseiter aus der dünn besiedelten Präfektur Tottori an die Spitze des Tokioter Politik-Establishments zu stellen. Ishiba war an der Basis schon lange beliebter als in der Partei. Er gilt als ehrlich und bürgernah. Bei der turnusgemäßen Präsidentschaftswahl Ende September 2024 hatte sich Ishiba vor allem deshalb durchgesetzt, weil sich viele von ihm eine moralische Erneuerung der LDP erhofften. Ein Spendenskandal hatte die Partei erschüttert, der vor allem die Abe-Anhänger belastete. Ishiba war so gut wie nicht beteiligt. Also bekam er seine Chance.

Er konnte sie nicht nutzen. Mit seiner nachdenklichen Art brachte Ishiba nicht diese Aufbruchstimmung zustande, die das Land mit seiner lahmenden Wirtschaft jetzt bräuchte. Auf der anderen Seite kümmerte er sich im Amt ernsthaft, aber nie verbissen um Japans Belange. Sein Problem war von Anfang an, dass die Gruppe der Abe-Anhänger ihn ablehnte. Die Frage bleibt offen, was für ein Premierminister Shigeru Ishiba hätte sein können, wenn die gesamte LDP hinter ihm gestanden hätte.

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