Der Besitz von Kinderpornografie soll künftig härter bestraft werden. Das Bundeskabinett billigte am Mittwoch einen entsprechenden Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD) und setzt so europäische Vorgaben zum Sexualstrafrecht um. Kernpunkte der Reform sind die Verlängerung der Verjährungsfrist für sexuelle Übergriffe auf Kinder und die Erhöhung des maximalen Strafmaßes für den Besitz von kinderpornografischem Material von zwei auf drei Jahre.
Als kinder- und jugendpornografische Schriften sollen künftig auch Aufnahmen in "unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung" gelten - so genannte Posingbilder. Hier gab es eine Gesetzeslücke: "Bisher sind nur Bilder strafbar, auf denen Kinder sexuelle Handlungen ausführen. Wenn also ein böser Vater ein Nacktbild von seiner schlafenden Tochter macht und verbreitet, ist das nicht gedeckt", erklärt Strafrechtsprofessor Joachim Renzikowski, Experte für Sexualstrafrecht aus Halle.
Auch solche Bilder, die nicht als Kinderpornografie klassifiziert werden, würden in Pädophilen-Netzwerken vertrieben, sagte Maas am Morgen im ZDF. Unter Strafe gestellt werden sollen deshalb auch bloßstellende Bilder - unabhängig vom Alter des Dargestellten. Das könnte theoretisch auch der Fall sein, wenn ein Bild eines betrunkenen Erwachsenen vom Oktoberfest ins Netz gestellt werde, erklärt Renzikowski. Oder eben von nackten, spielenden Kindern. Bisher waren solche Bilder nur dann strafbar, wenn die abgebildete Person sich bei der Herstellung des Bildes in einer Wohnung oder in einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet.
Neuregelung kommt schneller als geplant
Eine Reform des Sexualstrafrechts war bereits im Koalitionsvertrag festgehalten worden. Nun geht die Neuregelung schneller als geplant - die Bundesregierung reagiert damit wohl auch auf den Fall Edathy, der ursprünglich wegen des Besitzes nicht eindeutig pornografischer Aufnahmen in die Schlagzeilen geraten war. Inzwischen ist er wegen Kinderpornografie angeklagt.
Die Frage, welche Bilder wirklich bloßstellend sind, dürfte allerdings schwierig werden. Im Gesetzesentwurf ist deshalb inzwischen von einem "erheblichen Schaden" für die Betroffenen die Rede: Wer unbefugt Aufnahmen herstellt oder verbreitet, die dem Ansehen des dargestellten Menschen erheblich schaden können, soll künftig mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden können.
Diese Einschränkung fand sich im ursprünglichen Entwurf nicht. Möglicherweise wird aber erst das Bundesverfassungsgericht entscheiden müssen, ob die Gesetzesformulierung nun bestimmt genug ist, sagt Renzikowski. Ob das neue Merkmal "erheblicher Schaden" die Strafbarkeit klarer umschreibt, sei unter Experten ebenfalls umstritten.
"Das ist handwerklich schlecht gemacht"
Erweitert werden soll zudem das sogenannte Cyber-Grooming - also die gezielte Kontaktaufnahme mit Minderjährigen im Internet aus sexuellen Motiven. Im Gesetz ist in diesem Zusammenhang immer noch von "Schrift" die Rede, also von Material, das in schriftlicher Form gespeichert ist. "Das ist natürlich handwerklich schlecht gemacht, das passt einfach nicht mehr zu unserem digitalisierten Zeitalter", sagt Renzikowski.
Künftig soll neben der "Schrift" auch der Begriff "Informations- und Kommunikationstechnologie" aufgenommen werden. Renzikowski warnt allerdings davor, weiterhin die erste Kontaktaufnahme, die erste Mail an ein Kind zu bestrafen - und nicht erst den Versuch einer Verabredung "wie es die europäischen Vorgaben vorsehen und wie es etwa in Österreich geregelt ist."
Die Verabredung zum Mord oder zu einer Vergewaltigung sei ja auch noch nicht strafbar, sagt der Strafrechtsprofessor. Bei Kinderpornografie ginge die deutsche Gesetzgebung sowieso schon sehr weit. Prinzipiell sollte man mit einer extremen Vorverlagung der Strafbarkeit vorsichtig sein, warnt Renzikowski. "Sonst ist bald jeder ein Straftäter."
Auch Anwälte kritisierten die geplante Reform des Sexualstrafrechts. "Wir sehen das außerordentlich kritisch", sagte der Präsident des Deutschen Anwaltvereins, Wolfgang Ewer. Er verwies darauf, dass künftig nicht nur Kinderpornografie, sondern auch die Verbreitung von Nacktbildern bestraft werden soll, die gegen den Willen von Kindern oder ohne Einverständnis der Eltern gemacht worden sind.
Damit werde ein Verhalten nur deshalb unter Strafe gestellt, weil es möglicherweise den Einstieg in ein strafwürdiges Verhalten darstellen könne. Das sei unverhältnismäßig. "Wir wollen eine freie Gesellschaft bleiben", betonte Ewer auf dem 70. Deutschen Juristentag.
Die Pläne widersprechen seiner Ansicht nach dem Grundverständnis, wonach nicht einmal geschmackloses oder ethisch bedenkliches Verhalten bestraft wird. Künftig könne es nun schon problematisch sein, wenn nackte Kinder auf einem Kindergeburtstag fotografiert würden.
(Mit Material der AFP und der dpa)