Sexismus in der Politik:Wenn eine Frau am Ende doch die "Maus" ist

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Ein CDU-Senator nannte sie "eine große süße Maus", in ihrer Partei wird ihr vorgeworfen, sie habe sich "hochgeschlafen": die Berliner CDU-Politikerin Jenna Behrends. (Foto: dpa)

Die Herabwürdigung von Frauen, wie sie offenbar im politischen Betrieb üblich ist, beleidigt Prinzipien, die gerade Konservativen sonst heilig sind: die Höflichkeit und das Leistungsprinzip.

Kommentar von Kia Vahland

Die ganz Jungen und die ganz Alten eint eine besondere Freiheit: Sie können mit einem einzigen ehrlich empörten Debattenbeitrag alles infrage stellen. Die Alten haben nichts mehr zu verlieren; die Jungen haben das Leben vor sich - und sehen es nicht ein, dass sie diplomatisch sein sollen. Wenn der Redner einen wunden Punkt trifft, kann eine solche Intervention etwas bewirken.

Ein solcher Moment lässt sich gerade in Berlin beobachten. Die 26-jährige Kommunalpolitikerin Jenna Behrends hat auf der Internetplattform Edition F einen offenen Brief über Sexismus in ihrer Partei, der CDU, veröffentlicht. Behrends berichtet, wie sie erst gefördert wurde - ihr dann aber in vulgärer Wortwahl unterstellt wurde, sie habe sich "hochgeschlafen". Es wurde ihr bedeutet, sie solle doch nicht "überall in der Partei mitmischen", dann käme sie besser an. Schließlich sei sie doch "eine außerordentlich hübsche und kluge Frau". Ein CDU-Senator, der ihr gar nichts Böses wollte, nannte sie "eine große süße Maus". Jetzt finden sich die Christdemokraten in einer Diskussion wieder über ihre Parteikultur, die begabte junge Leute abschrecken könnte.

Die Debatte ist berechtigt, und sie weist über den Fall hinaus. Wenn die großen Parteien und andere Organisationen oder Unternehmen nicht einladend sind, sondern Neuankömmlinge erst einmal einem Härtetest unterziehen, einer Initiation in Sexismus, dann haben sie bald noch größere Personalprobleme als die katholische Kirche beim Priesternachwuchs. Der Verweis darauf, dass ältere Politikerinnen aller Parteien auch durch diese Schule der Anzüglichkeiten gegangen seien, wird die Diskussion nicht beenden.

Anleitung zur Schikane, Exzesse der Herabwürdigung

Welche Exzesse der Herabwürdigung manch weibliches Parteimitglied jahrelang ertragen hat, zeigt ein Fall aus Main-Kinzig. In dem Wahlkreis, aus dem der CDU-Generalsekretär Peter Tauber stammt, zirkulierte in kleiner CDU-Herrenrunde ein Text mit dem Titel "Pflegehinweise für das Kaninchen". Es ist eine Anleitung zur Schikane gegen die CDU-Kreisgeschäftsführerin. "Damit das Kaninchen nicht übermütig wird, sollte man ihm das Leben schwer machen", heißt es dort. Empfohlen wird als Sanktion unter anderem ein Rausschmiss der Tochter der Betroffenen, die ebenfalls für die Partei arbeitete.

Dieser Sprachgebrauch - Frauen sind wahlweise "süße Mäuse" oder "dumme Kaninchen" - spricht gegen diejenigen, die ihn verwenden. Nun gehört zur Meinungsfreiheit auch das Recht, sich mit peinlichen Denk- und Redeweisen zu blamieren. Wer es lustig findet, seine Mitstreiterinnen zu flauschigen Käfigtierchen zu verharmlosen, kann dies tun, und es ist Sache der Angesprochenen und des gemeinsamen Umfelds, dies zu belächeln oder zurückzuweisen.

Schwierig und für die Allgemeinheit interessant wird es erst, wenn es gar nicht als blamabel gilt, Mitarbeiterinnen herabzusetzen. Wenn also eine Institution - eine Partei, eine Universität, eine Behörde oder eine Firma - sich darauf einigt, dass der schmierige Spruch und die Verleumdung akzeptable Mittel sind, um Frauen einzuschränken. Das verrät gleich zwei Prinzipien, die gerade den Konservativen ansonsten heilig sind: die Höflichkeit und das Leistungsdenken.

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Die Höflichkeit verbietet es selbstverständlich, jemanden über unabänderliche Äußerlichkeiten wie das Geschlecht, die Hautfarbe, die Gesundheit zu definieren; erst recht aber, laut Mutmaßungen darüber anzustellen, wer mit wem schlafen könnte. Wenn Machtkämpfe in diesem Nahbereich ausgetragen werden, heißt das meistens, dass die Beleidiger und Verniedlicher fürchten, sie könnten der jeweiligen Frau in einem normalen, inhaltlich geführten Konkurrenzkampf unterliegen. Sie stufen sie auf der persönlichen Ebene herab, um sich nicht professionell messen zu müssen.

Das aber rührt an das Leistungsprinzip. Wenn eine Frau am Ende doch die "Maus" ist, die nicht allzu sehr "mitmischen" soll, ist das kein offener Wettbewerb. Es geht dann nicht um Talente und Ergebnisse, sondern um die Ängste von Personen, die sogar in einer von ihnen selbst geförderten Quereinsteigerin wie Jenna Behrends eine potenzielle Gefahr wittern.

Die etablierten Parteien können es sich nicht leisten, derart die Sachebene zu verlassen. Polemik ist das Geschäft der Populisten, und die CDU selbst muss gerade leidvoll erleben, wie substanzlos bisweilen ihre Parteivorsitzende Angela Merkel in der Öffentlichkeit attackiert wird. Auch die Politikerkolleginnen Hillary Clinton und Theresa May werden immer wieder nicht in der Sache, sondern als Personen angegangen und diffamiert. Dagegen gibt es nur ein Mittel: fair bleiben, nicht nur, aber auch gegenüber den Frauen in den eigenen Reihen.

© SZ vom 27.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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