Sexismus in der FDP:"Die Partei nimmt sich viel zu wichtig"

FDB Rainer Brüderle Liberale Sexismus

"Zum Liberalismus gehört der Gedanke der Emanzipation untrennbar dazu", sagt Christoph Giesa.

(Foto: dpa)

Er trat schon als Schüler in die FDP ein, saß vier Jahre lang mit Rainer Brüderle im Landesvorstand der Liberalen in Rheinland-Pfalz. Dann trat Christoph Giesa 2011 aus der FDP aus. Im Gespräch mit SZ.de erklärt er, welche Rolle der Umgang der Altherren mit Frauen dabei spielte. Und was das eigentliche Problem hinter dem Sexismus-Vorwurf sei.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Christoph Giesa, Jahrgang 1980, trat als Schüler in die FDP ein. In Rheinland-Pfalz saß er mit Rainer Brüderle vier Jahre lang im Landesvorstand und wurde auf dessen Vorschlag 2004 zum Spitzenkandidaten der Landespartei im Europawahlkampf. 2011 trat er aus der FDP aus. Wegen der Euro-Debatte - und wegen des Umgangs der Altherren mit Frauen.

SZ.de: Herr Giesa, aus Ihrer Sicht: Ist die FDP eine Chauvinisten-Partei?

Christoph Giesa: Das wäre mir zu einfach. Aber die im Stern beschriebenen Umgangsformen sind in der FDP unter den alten Herren durchaus üblich. Die FDP ist eine extrem männerdominierte Partei. Wer hier mit Chauvi-Sprüchen hantiert, bekommt keine offene Kritik. Da wird eher herzlich mitgelacht.

Was störte Sie als Mann in der FDP daran?

Zum Liberalismus gehört der Gedanke der Emanzipation untrennbar dazu. In der Zeit, in der ich Mitglied in der Partei war, habe ich im Umgang mit Frauen allerdings nur Rückschritte erlebt. Schauen Sie sich allein die Listenaufstellungen zur Bundestagswahl an. Frauen rangieren dort vornehmlich auf den hinteren und wenig aussichtsreichen Plätzen. Der Anteil der Frauen in der FDP liegt bei etwa 20 Prozent. Die FDP ist heute mit der CSU gemeinsam die Partei, die sich mit der Frauenfrage am schwersten tut. Eine Besserung kann ich nicht erkennen. Die FDP hat ein massives Problem mit Frauen. Und das hat auch mit den Umgangsformen zu tun.

Aber die FDP hat Frauen wie Hildegard Hamm-Brücher oder Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hervorgebracht ...

Die stammen aus einer Zeit, als der Liberalismus in der FDP, wie ich ihn verstehe, noch gelebt wurde. Und Frau Hamm-Brücher hat die FDP ja schon lange wieder verlassen. Die FDP war mal erste Ansprechpartnerin für die 68er-Generation. Das Erbe ist aber leider verloren gegangen.

Wie haben Sie in Ihrer aktiven Zeit den Umgang mit Frauen in der FDP erlebt?

Ich habe junge Frauen erlebt, die gerade in die Partei eingetreten waren und nach ihrem ersten Landesparteitag oder liberalem Kongress umgehend wieder ausgetreten sind. Sie hatten keine Lust auf die Art und Weise, wie sie von manchen Männern in der Partei wahrgenommen und angesprochen wurden. Ich habe vor über zehn Jahren schon in Artikeln auf das Thema aufmerksam gemacht. Es gab sogar ein Treffen mit der damaligen Generalsekretärin Cornelia Pieper. Verbessert hat sich seitdem nichts. Im Gegenteil: Ich weiß, dass junge Frauen, die sich mit Emanzipationsthemen auseinandersetzen, auch heute noch angefeindet werden.

Rainer Brüderle hat sich entscheiden, zur Debatte und den Vorwürfen zu schweigen. Generalsekretär Patrick Döring erhebt schwere Vorwürfe gegen den Stern, wirft dem Magazin vor, der Person Brüderle schaden zu wollen. Ist das eine gute Strategie?

Nein. Damit macht die Parteispitze gerade alles kaputt, was es an vereinzelten Versuchen gegeben hat, die Partei für Frauen attraktiver zu machen. Das ist umso bitterer, weil sich Rainer Brüderle mit einer Entschuldigung an die Spitze derer hätte setzen können, die verstanden haben, dass es so nicht weitergehen kann. Besserung geloben und für Emanzipation eintreten, das wäre der bessere Weg gewesen. Stattdessen wird er mit seinem Schweigen zur Ikone der Konservativen. Das verstehe ich weder menschlich noch strategisch.

"Die Entscheidung, zu schweigen, ist ein Dammbruch

Wenn die FDP so ein Problem mit Frauen hat, warum melden sich dann nicht gerade jetzt scharenweise liberale Frauen zu Wort?

Es gibt ganz offensichtlich einen Mangel an Mut. In der FDP gibt es sehr viele aufgeklärte Köpfe, die die Debatte als wichtiges Thema erkennen und begreifen. Aber sie melden sich nicht zu Wort. Sie haben nicht verstanden, dass es nicht mehr reicht, zu schweigen, wenn die FDP mal wieder falsch abbiegt, in der vagen Hoffnung, dass sie schon wieder auf den richtigen Weg zurückfindet.

Von Brüderle ist ja durchaus bekannt, dass er verbal gerne übers Ziel hinausschießt. Müssen Journalisten, Politiker, ob Männer oder Frauen, das nicht einfach als seine Marotte hinnehmen?

Ich halte es nicht für dramatisch, was da an der Hotelbar passiert sein soll. Wer Brüderle kennt, der weiß, dass er so sein kann. Er hat Stärken, aber eben auch Schwächen. Das Problem ist nicht der Vorgang an sich, sondern die Art und Weise, wie er, wie die Parteispitze damit umgeht.

Warum?

Die Partei nimmt sich viel zu wichtig, wenn sie glaubt, sich jetzt als Opfer einer Medienkampagne stilisieren zu müssen. Das Thema Sexismus, das jetzt diskutiert wird, ist viel größer als die FDP. Die Partei beschädigt sich und die Debatte, wenn sie sich nicht klar dazu äußert. Es kann nicht sein, dass sich die FDP der Diskussion in dieser Form verweigert.

Mit Rösler an der Spitze, mit Personen wie Christian Lindner wollte sich die Partei thematisch breiter aufstellen. Was bleibt davon?

Die Entscheidung zu schweigen, ist ein Dammbruch, der dem Wirtschaftsliberalismus wieder alleine das Feld überlässt. Rösler und Lindner sind ja angetreten, um einen neuen, einen mitfühlenden Liberalismus zu etablieren. Davon bleibt nach dieser Debatte nichts übrig außer schönen Worten. Wenn jetzt niemand Brüderle widerspricht, geht die FDP mit einem Altherren-Liberalismus in den Wahlkampf.

Sie sind 2011 aus der FDP ausgetreten. Warum?

Vor allem wegen der unsäglichen Debatte um den Euro-Kurs der Partei, den ich als Rechtsruck wahrgenommen habe. Aber niemand tritt alleine wegen eines Themas aus einer Partei aus. Da staut sich was auf. Ich habe wohl auch zu oft erlebt, wie der emanzipatorische Liberalismus in der Partei mit Füßen getreten wurde. Ich bin und bleibe ein Liberaler. Ich habe aber ein Problem damit, mit meiner Haltung FDP-Mitglied zu sein.

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