Serie "Deutscher Herbst":Wo ist Schleyer?

Hanns Martin Schleyer

Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Hanns Martin Schleyer.

(Foto: dpa)

Heute vor 40 Jahren: In der BRD entbrennt ein Streit über den Umgang mit der RAF. Immer mehr Deutsche befürworten die Todesstrafe. Von Schleyer fehlt jede Spur.

Von Robert Probst

SZ-Serie "Deutscher Herbst"

Vor 40 Jahren stand die Bundesrepublik vor ihrer bislang größten Herausforderung. Die Rote Armee Fraktion (RAF), die im April 1977 Generalbundesanwalt Siegfried Buback und im Juli den Bankier Jürgen Ponto ermordet hatte, entführte den Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer. Ziel war es, die RAF-Anführer und andere Kampfgenossen aus den Gefängnissen freizupressen. Die SZ dokumentiert die dramatischen Tage der Schleyer-Entführung vom 5. September bis zum 19. Oktober, für die sich der Begriff "Deutscher Herbst" eingeprägt hat. Hinzu kommen politische Einschätzungen von damals und heute sowie neue Erkenntnisse der Zeitgeschichte. Die bisher erschienenen Folgen im Überblick.

Tag 7: Sonntag, 11.September. "Terror hat nichts mit Politik zu tun"

Waltrude Schleyer, Ehefrau des entführten Arbeitgeberpräsidenten, gibt eine schriftliche Erklärung ab, die in Bild am Sonntag veröffentlicht wird: "Meine ganze Sorge gilt meinem Mann und meiner Familie. Ich bin tief beeindruckt von der Anteilnahme, die mir und meiner Familie aus allen Schichten der Bevölkerung zuteil wird. (. . .) Ich hoffe inbrünstig mit meinen Kindern, daß alles gut ausgeht und mein Mann bald wieder bei uns sein kann. Mein Mitgefühl gilt aber auch den Angehörigen der Männer, die meinen Mann begleitet haben und dabei ihr Leben lassen mußten. Ihnen fühle ich mich besonders verbunden."

Die Welt am Sonntag veröffentlicht eine Emnid-Umfrage: Demnach ist nach der Schleyer-Entführung die Zahl der Befürworter der Todesstrafe in Deutschland sprunghaft auf 67 Prozent angewachsen. 37 Prozent der Befragten plädieren dafür, auf die Forderungen der Entführer einzugehen, 60 Prozent lehnen dies ab.

Über den Anwalt Denis Payot lässt die Bundesregierung den Terroristen mitteilen, dass sie weitere Erläuterungen für das jüngste Ultimatum zur Freilassung der elf RAF-Häftlinge benötige: "Ohne Kenntnis von Flugziel und Flugweg und der tatsächlichen Gewährung von Überflug- und Landerechten wäre eine Besatzung für diese womöglich lebensgefährliche Aufgabe nicht zu finden."

Zudem will man ein weiteres, klares Lebenszeichen von Schleyer und eine Aussage, wie sich die Entführer die Freilassung des 62-Jährigen vorstellen. Das Ultimatum lässt die Regierung erneut verstreichen.

Die Gewalt spaltet Deutschland

Landauf, landab diskutieren Politiker, Juristen und Wissenschaftler über die immer weiter eskalierende Gewalt der RAF. So warnt der Verfassungsrichter und Präsident des Evangelischen Kirchentags, Helmut Simon, im Südwestfunk vor hysterischem Verhalten: "Die Herausforderung durch die Terroristen muß uns innerhalb unserer gesamten Gesellschaft das Bewußtsein geben, was für eine Wohltat wir an diesem Staat haben. Es ist unser Staat und den wollen wir uns nicht nehmen lassen, weder durch Terroristen noch durch Überreaktionen auf deren Verhalten."

Auch der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Herbert Wehner, wendet sich gegen den Begriff "Staatskrise". Zwar gebe es eine "Summe von Gefahren", aber vor allem gehe es darum, der Öffentlichkeit klarzumachen, "daß Terror nichts mit Politik zu tun hat".

"Deutscher Herbst"

Quellen und Literatur zur SZ-Serie über den RAF-Terrorismus 1977. Zur Übersicht

Der Münchner Politikwissenschaftler Kurt Sontheimer regt dagegen im ZDF aufgrund der "extremen Herausforderung" die Einführung eines Gesetzes zur Bekämpfung des Terrorismus an - notfalls auch mit eingeschränkten Freiheitsrechten.

Der Große Krisenstab tagt stundenlang, man ist in Sorge, ob Schleyer noch lebt. An den Landesgrenzen der Bundesrepublik kommt es wegen intensiver Personenkontrollen das gesamte Wochenende über zu zahllosen, teils stundenlangen Staus. Aufgrund der Nachrichtensperre im Bezug auf die Terrorfahndung werden die Staus nicht im Verkehrsfunk gemeldet.

Die Serie erschien in einer ersten Version 2007 - und wurde für die Neuveröffentlichung leicht überarbeitet und erweitert. Die Rechtschreibung in Zitaten entspricht der Schreibweise der damaligen Zeit.

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