Serbiens Präsident Tomislav Nikolic:Mann mit Maske

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Wer ist Serbiens neuer Präsident Nikolic? Ein Nationalist - oder hat er sich wirklich gewandelt? Der Politiker mag neuerdings gemäßigt klingen, aber er hat bisher den Beweis nicht erbracht, dass er ein Demokrat ist, der an den Rechtsstaat glaubt. Dafür müsste er sich deutlicher von seiner finsteren Vergangenheit distanzieren.

Enver Robelli

In der Stunde des größten Triumphs war Serbiens neuer Präsident Tomislav Nikolic sichtlich bemüht, versöhnlich und freundlich zu erscheinen. Er machte sofort klar, dass sein Land vom proeuropäischen Kurs nicht abgleiten werde. Er sprach nicht von der Rückeroberung Kosovos, sondern nur über den Wunsch Serbiens, seine Landsleute zu schützen. Etwas vollmundig versprach Nikolic Arbeitsplätze und die Bekämpfung von Korruption und Kriminalität, die der bisherige Staatschef Boris Tadic toleriert habe.

Tomislav Nikolic gibt sich sanft - aber ist er wirklich ein Demokrat? (Foto: AFP)

Nikolics populistische Ankündigungen mögen zwar in breiten und sehr armen Bevölkerungsschichten attraktiv klingen. Der Politiker hat jedoch bisher den Beweis nicht erbracht, dass er ein Demokrat ist, der an den Rechtsstaat glaubt. Seine Rhetorik klingt zwar gemäßigt, und Nikolic fordert nicht mehr die Bildung eines großserbischen Staates. Aber von der dunklen Vergangenheit Serbiens hat sich der vom Ultranationalisten zum proeuropäischen Marktschreier gewandelte Nikolic noch nicht überzeugend distanziert.

Die serbischen Wähler haben sich am Sonntag auf ein Experiment eingelassen. Es war vor allem der Frust über die schlechte Wirtschaftslage, die viele Serben dazu bewog, Nikolic ihre Stimme zu geben. Sein Sieg verkompliziert die Innen- und Außenpolitik. Der neue Präsident war in den 90er-Jahren ein Nationalist, der nicht nur mit primitiver Rhetorik die Kriege auf dem Balkan mitprovoziert hat. Nikolics damaliger Mentor, der mutmaßliche Kriegsverbrecher Vojislav Seselj, wollte mehr als die Hälfte Kroatiens erobern und den Kroaten, wie er sagte, mit rostigen Löffeln die Augen auskratzen. Für die Lösung der Kosovo-Frage schlug Seselj vor, man solle die Albaner gezielt mit dem Aids-Virus infizieren. Nikolic hat jahrelang diese Sprüche mitgetragen. Erst 2008 gründete er die Serbische Fortschrittspartei, die plötzlich die EU-Integration unterstützte.

Was wird aus EU-Beitrittskandidat Serbien?

In der Innenpolitik werden nun die Karten neu gemischt. Serbien steht vor einer Kohabitation. Nach den Parlamentswahlen vor zwei Wochen hatten sich die prowestlichen Demokraten von Tadic mit den Sozialisten des früheren Autokraten Slobodan Milosevic verständigt, die bisherige Regierungskoalition fortzusetzen. Nikolic hat aber laut Verfassung die Möglichkeit, auch einen eigenen Parteifreund mit der Bildung eines Kabinetts zu beauftragen.

Tadic, der große Wahlverlierer und bisher auch der Liebling des Westens, hat sich gegen eine Kohabitation ausgesprochen. Die Wähler haben ihn nicht nur für den wirtschaftlichen Abschwung bestraft, sondern auch für die mangelnde Bereitschaft, den Einfluss der Oligarchen einzudämmen. Die sind unter Milosevic durch kriminelle Privatisierungen reich geworden und konnten ihre Macht auch nach der demokratischen Wende im Herbst 2000 bewahren, indem sie die Parteien finanziell unterstützten. In Tadic verliert Serbien einen berechenbaren Staatschef, der trotz aller Versäumnisse das Image seines Landes im Westen verbessert hat. Er hat sich für die Rolle Serbiens in den jüngsten Balkankriegen entschuldigt und die Hauptverantwortlichen für die Massenverbrechen in Bosnien, Radovan Karadzic und Ratko Mladic, verhaften lassen.

Den neuen Präsidenten muss die EU an seinen Taten messen. Serbien ist seit Anfang März Beitrittskandidat, obwohl das Land sich schwertut, die Unabhängigkeit Kosovos zu akzeptieren. Tadic hat jahrelang versucht, die Bürger zu überzeugen, man könne EU-Mitglied werde, ohne Kosovo anzuerkennen. Diese widersprüchliche Politik hat keine Zukunft. Je schneller Nikolic das begreift, desto einfacher wird für Serbien der Weg nach Europa. Als Oppositionsführer hatte er sich unversöhnlich gezeigt. "Wenn sie sagen, wir können der EU beitreten, aber Kosovo gehört uns nicht, werden wir ,Danke, auf Wiedersehen' sagen. Wir haben unseren eigenen Weg.

© SZ vom 22.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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