Kosovo:Streit um Autokennzeichen eskaliert

Kosovo: In Mitrovica solidarisieren sich Angehörige der serbischen Minderheit mit den Amtsträgern, die aus Protest gegen Pristina zurücktreten.

In Mitrovica solidarisieren sich Angehörige der serbischen Minderheit mit den Amtsträgern, die aus Protest gegen Pristina zurücktreten.

(Foto: Laura Hasani/Reuters)

Zahlreiche Serben in Kosovo legen ihre Ämter aus Protest gegen die Regierung in Pristina nieder. Belgrad heizt mit seiner Unterstützung für sie den Konflikt zwischen den Ländern an - und stellt die jüngsten Vermittlungsversuche der EU infrage.

Von Tobias Zick

Die in Brüssel und Berlin gehegten Hoffnungen auf eine Entspannung im Verhältnis zwischen Serbien und Kosovo haben diese Woche abermals einen massiven Dämpfer erfahren. Im Gebiet der serbischen Minderheit im Norden Kosovos haben zahlreiche Bürgermeister, Stadträte, Justizbeamte und Polizisten ihre Ämter niedergelegt - aus Protest gegen eine neue Regelung, die es Autobesitzern in der Region vorschreibt, ihre alten Nummernschilder, die noch vom serbischen Staat ausgestellt worden waren, durch kosovarische zu ersetzen. Ein regionaler Polizeichef, der sich demonstrativ dagegen verwahrt hatte, die Regelung durchzusetzen, wurde von der kosovarischen Regierung in Pristina entlassen.

Serbiens Präsident Aleksandar Vučić empfing am Dienstag den in Kosovo entlassenen Polizeichef in Belgrad, verlieh ihm eine Medaille und versprach ihm und einem ebenfalls suspendierten Kollegen neue Positionen im serbischen Staatsapparat.

Aus Sicht der Europäischen Union ist die Eskalation in Nordkosovo ein neuerlicher Rückschlag in ihren Bemühungen um eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und seiner ehemaligen Provinz Kosovo, die sich 2008 unabhängig erklärte - was Belgrad bis heute nicht anerkennt.

Kosovo: Der serbische Präsident Aleksandar Vučić schließt eine Anerkennung Kosovos als eigenständigen Staat kategorisch aus.

Der serbische Präsident Aleksandar Vučić schließt eine Anerkennung Kosovos als eigenständigen Staat kategorisch aus.

(Foto: Johanna Geron/Reuters)

"Die jüngsten Entwicklungen gefährden die jahrelange Arbeit am Dialog zwischen Belgrad und Pristina", schrieb der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell auf Twitter. "Ich habe beide Seiten dazu aufgerufen, einseitige Aktionen zu unterlassen, die zu weiteren Spannungen führen können."

Auch aus der Nato kamen Aufrufe zur Deeskalation. Die europäische Rechtsstaatsmission Eulex in Kosovo stationierte Polizeikräfte aus ihrer Reserve im Norden des Landes, um die Lücke, die durch den Rücktritt der serbischen Beamten entstanden ist, vorübergehend zu schließen.

Das Reisen zwischen den Westbalkanländern soll erleichtert werden

Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine bemüht sich insbesondere die deutsche Bundesregierung verstärkt darum, den lange Zeit brachliegenden Prozess der Annäherung der sechs Westbalkanstaaten an die Europäische Union neu zu beleben. Vergangene Woche unterzeichneten Vertreter von Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien bei einem Gipfeltreffen in Berlin mehrere Abkommen, denen zufolge sie gegenseitig Personaldokumente, Studien- und Berufsabschlüsse der jeweils anderen Länder anerkennen.

Die "Mobilitätsabkommen" sollen unter anderem das Reisen über die Grenzen der Region hinweg erleichtern - eine bessere Zusammenarbeit untereinander gilt als Grundvoraussetzung für einen möglichen jeweiligen EU-Beitritt der Westbalkanländer. Berichten zufolge bemühen sich Berlin und Paris darum, die Regierungen Serbiens und Kosovos bis Ende dieses Jahres zur Unterzeichnung eines Grundlagenvertrags über ihre Beziehungen zu bewegen.

Strittig ist insbesondere aus serbischer Sicht dabei weiterhin alles, was in Richtung einer Anerkennung Kosovos als souveräner Staat zielt, etwa die Perspektive einer Mitgliedschaft bei den Vereinten Nationen. Serbiens Präsident Aleksandar Vučić verweist regelmäßig auf die Verfassung seines Landes, die eine Anerkennung Kosovos explizit ausschließe.

In dem aktuellen Streit um die neuen Nummernschild-Regeln deutet Belgrad nun eine grundsätzliche Bereitschaft zum Entgegenkommen an - und verweist dabei auf die sogenannte Brüsseler Vereinbarung von 2013, die unter anderem vorsieht, dass die serbischen Gemeinden in Nordkosovo sich zu einer Gemeinschaft zusammenschließen können. Dagegen sperrt sich Pristina bis heute; Kosovos Regierung sieht darin die Gefahr einer Destabilisierung des Landes, wie sie etwa auch von der serbischen Teilrepublik in Bosnien-Herzegowina ausgeht.

Man selbst habe alle Verpflichtungen aus der Brüsseler Vereinbarung erfüllt, sagte Serbiens Verteidigungsminister Miloš Vučević am Mittwoch; wenn die Gegenseite dies ihrerseits tue, würden die serbischen Beamten und Politiker in Nordkosovo in ihre Ämter zurückkehren.

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