In Belgrad haben am Samstagabend erneut Zehntausende gegen die Regierung von Präsident Aleksandar Vucic protestiert. Am Slavija-Platz in der serbischen Hauptstadt schwenkten sie Europa- und serbische Landesflaggen. Für die Opfer des tödlichen Bahnhofeinsturzes von Novi Sad im vergangenen November gab es eine 16-minütige Schweigeminute. Laut Behörden nahmen 36 000 Menschen an der Demonstration teil.
Der Protest am St. Veitstag (Vidovdan) hatte angesichts des wichtigen Gedenk- und Feiertags für Serbien besondere Symbolik. Darüber hinaus hatten die Studenten Präsident Vucic ein Ultimatum gestellt: Er sollte am Samstag bis 21 Uhr vorgezogene Parlamentswahlen in die Wege leiten, sonst wolle die Studentenbewegung zu „zivilem Ungehorsam“ aufrufen. Doch bereits am Vortag hatte der Staatschef erklärt, den Forderungen nicht nachkommen zu wollen. Parlamentspräsidentin Ana Brnabic bezeichnete das Vorgehen der Studenten als „Terror“.

Nachdem der Protest gegen 22 Uhr beendet war, warfen einige Demonstranten, die sich den Anhängern des Präsidenten entgegenstellen wollten, Leuchtraketen auf die Polizei, die sie mit Pfefferspray auseinandertrieb. Vucic-Anhänger aus dem ganzen Land hatten sich im nahe gelegenen Pionirski-Park zu einem Gegenprotest versammelt, deswegen war die Polizei mit einem Großaufgebot an Einsatzkräften im Bereich der Regierungsgebäude, des Parlaments und rund um den Park im Einsatz.
Vucic erklärte am Samstag, dass nicht näher bezeichnete „ausländische Mächte“ hinter den Protesten stünden. Er sagte, die Polizei solle sich zurückhalten und warnte, dass Gewalt nicht geduldet werde. „Das Land wird verteidigt werden, und die Schläger werden vor Gericht gestellt“, sagte er vor Reportern in Belgrad.
Die Proteste von Studenten, Oppositionellen, Lehrern, Arbeitern und Landwirten begannen im vergangenen Dezember, nachdem am 1. November 16 Menschen beim Einsturz eines Bahnhofsdaches in Novi Sad ums Leben gekommen waren. Die Demonstranten machen die Korruption im Land für die Katastrophe verantwortlich. Sie fordern vorgezogene Neuwahlen und ein Ende der zwölfjährigen Herrschaft von Präsident Aleksandar Vucic. Sie werfen ihm und seinen Verbündeten Verbindungen zum organisierten Verbrechen, Gewalt gegen Rivalen und die Einschränkung der Medienfreiheit vor. Vucic hat Neuwahlen bisher abgelehnt. Seine von der Fortschrittspartei geführte Koalition verfügt über 156 der 250 Parlamentssitze. Laut Vucic finden die nächsten Parlamentswahlen frühestens Ende 2026 statt.