Es hat ein wenig gedauert. Doch allmählich erreicht der Konflikt um die mögliche Abspaltung Kataloniens vom Königreich Spanien auch Brüssel. Seitdem der spanische Europaparlamentarier Alejo Vidal-Quadras von der Europäischen Volkspartei (EVP) in einem TV-Sender anregte, eine mögliche Volksabstimmung über die katalanische Selbständigkeit mit der Entsendung eines Generals der paramilitärischen Zivilgarde zu beantworten, weil sie ohne Zustimmung Madrids verfassungswidrig wäre, kracht es im Europaparlament gewaltig.
"Skandalös" fanden die Europa-Grünen Rebecca Harms und Daniel Cohn-Bendit die Drohungen von Vidal-Quadras, immerhin ist der Spanier Vizepräsident des EU-Parlaments. Der sozialdemokratische Parlamentschef Martin Schulz wiederum berichtete, Zehntausende Mails erzürnter EU-Bürger erhalten zu haben, und zuckte mit den Achseln: Über die Worte von Vidal-Quadras zu urteilen, obliege den Wählern in Katalonien.
Das Achselzucken könnte man fast sinnbildlich nehmen. Denn das Ringen selbstbewusster Regionen nach größtmöglicher Unabhängigkeit trifft die EU unvorbereitet. Einmal ganz abgesehen von der Frage, ob Abspaltungsbestrebungen in Zeiten der größten Wirtschaftskrise, die Nachkriegseuropa je gekannt hat, wirtschaftspolitisch ratsam sind - niemand weiß, wie verfahren werden müsste, wenn es in einem Mitgliedsland der Europäischen Union zu einer Abspaltung kommen sollte. In den europäischen Verträgen steht dazu jedenfalls: nichts.
Sicher ist nur, dass Völkerrechtlern das Juristenherz frohlocken würde. Doch das offene Theoretisieren über die Frage "Was wäre, wenn?" hätte so weitreichende Bedeutung, dass dies kaum jemand zu tun wagt. Wären die neu entstandenen Staaten automatisch Mitglieder der Europäischen Union? Oder müssten sie das Aufnahmeverfahren von vorn durchlaufen?
Schotten entscheiden 2014 über ihre Unabhängigkeit
Dabei jedenfalls dürften sie Probleme mit ihren ehemaligen "Mutterstaaten" bekommen, denn beitrittswillige Kandidaten können erst dann als Mitglieder zugelassen werden, wenn sämtliche Klubmitglieder zugestimmt haben. Nicht umsonst reiben "die Spanier" "den Katalanen" genau dies immer wieder unter die Nase. Als jüngst elf EU-Außenminister unter der Leitung von Guido Westerwelle ein "Zukunftspapier" für Europa erstellten, wachten die Spanier penibel darauf, dass Neumitglieder nur dann zugelassen werden dürfen, wenn Einstimmigkeit vorliegt.
Die "Katalanisten " wiederum wollen sich nicht vorstellen, dass Europa wirklich eine Region ausschließt, die sich demokratisch als eigener Staat konstituiert, wettbewerbsfähig ist und ihren "europäischen Charakter" unter Beweis gestellt hat. Sie verweisen auf die 4000 multinationalen Konzerne, die in der Region angesiedelt sind - soll die EU die mit einem Mal rauswerfen?
Das Thema wird die Europäer begleiten. Spätestens 2014 werden die Schotten befragt, ob sie weiter dem Vereinigten Königreich angehören wollen, das wird die Debatte in anderen Ländern anfachen. In Katalonien, im Baskenland, in Südtirol, in Flandern und Wallonien. Ganz im Trend liegt da das jüngste Buch des CSU-Manns Wilfried Scharnagl: " Bayern kann es auch allein".