Seoul:Südkoreas Präsidentin Park des Amtes enthoben

  • Das südkoreanische Verfassungsgericht hat die Amtsenthebung von Präsidentin Park Geun-hye einstimmig bestätigt.
  • Mit der Entscheidung verliert Park ihre Immunität. Ihr werden schwere Fälle von Korruption vorgeworfen.
  • Bei Demonstrationen gegen die Amtsenthebung gab es zwei Tote.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Südkoreas Demokratie hat ihre Reifeprüfung bestanden. Mit der einstimmigen Entscheidung, die Amtsenthebung von Präsidentin Park Geun-hye zu bestätigen, hat das Verfassungsgericht die oligarchische Verfilzung der Politik mit den Chaebol aufgerissen, den großen Familienkonzernen wie Samsung, Hyundai und Lotte.

Park muss das Blaue Haus, den Amtssitz des Präsidenten, sofort verlassen. Sie hat ihre Immunität vor Strafverfolgung verloren. Es wird deshalb erwartet, dass die Strafjustiz sie nun zur Verantwortung ziehen wird. Womöglich soll sie nicht nur wegen passiver Bestechung angeklagt werden, sondern sogar wegen Verrats. In Seoul spekuliert man über eine baldige Verhaftung.

Derzeit kommt es in Südkorea zu Demonstrationen gegen Parks Amtsenthebung. Dabei sollen zwei Menschen ums Leben gekommen sein, berichten südkoreanische Medien.

Südkoreas Verfassung schreibt vor, der nächste Staatspräsident müsse binnen 60 Tagen gewählt werden, also spätestens am 9. Mai. Der ehemalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, die letzte Hoffnung von Parks konservativer Partei, hat seinen Versuch, sich als sauberer Nachfolger zu positionieren, nach wenigen Wochen entnervt aufgegeben. Deshalb dürften die Liberalen, die bereits das Parlament kontrollieren, nun auch das Blaue Haus zurückgewinnen, das sie von 1998 bis 2008 hielten. Südkorea wird damit nach links rücken, das wird auch die Beziehungen zu China und womöglich zu Nordkorea verändern.

Schwere Fälle der Korruption, Verletzung der Verfassung

In seinem Urteil wies das Gericht zuerst die Vorwürfe der Pflichtvernachlässigung im Zusammenhang mit dem Untergang der Sewol-Fähre und die Verletzung der Meinungsfreiheit als Gründe für eine Amtsenthebung zurück. Die Verfassung definiere die Pflichten der Präsidentin im Falle einer Katastrophe nicht genau genug. Und es sei nicht bewiesen worden, dass Park die Schaffung einer schwarzen Liste von Künstlern und Kulturschaffenden angeordnet habe, die sie kritisierten. Die Verantwortung dafür trage die Kulturministerin.

Dann wurde die amtierende Gerichtspräsidentin Lee Jung-mi sehr deutlich. Parks Kungeln mit den Bossen von Samsung und Lotte seien schwere Fälle der Korruption. Im Weiteren habe Park die Verfassung massiv verletzt, indem sie ihre Freundin Choi Soon-sil heimlich mitregieren ließ, ihr geheime Amtsdokumente zur Korrektur zuspielte und sich von ihr Personalentscheidungen suggerieren ließ. Das Gericht habe deshalb keine Wahl gehabt, es musste Parks Sturz autorisieren.

Die letzte Statthalterin der Elite aus der Diktatur ihres Vaters

Park, die Tochter des früheren Militärdiktators Park Chung-hee, hat sich zwar zur Demokratie bekannt, sich aber stets verhalten, als stehe sie über dem Recht. Ihre Wahl wurde vom koreanischen Geheimdienst in den sozialen Medien mit Falschmeldungen über ihren Gegenkandidaten unterstützt. Sie war gleichsam die letzte Statthalterin jener Elite der Diktatur ihres Vaters, die Ende der 1980er-Jahre in die Mäntel der Demokratie schlüpfte. Allerdings haben sich auch die Liberalen mit diesem System arrangiert.

Im Herbst, als der Skandal nach und nach von der Presse ans Licht gezerrt wurde, versprach Park in drei TV-Ansprachen, sie werde die Entscheidungen des Parlaments und des Gerichts akzeptieren und mit ihnen kooperieren. Stattdessen ließ sie Unterlagen vernichten und weigerte sich, vor dem Verfassungsgericht auszusagen. Damit habe sie die Verfassung noch einmal verletzt und ihr Mandat der Wähler missachtet, urteilte das Gericht. Die Versuche ihrer Anwälte, die Entscheidung der Verfassungrichter hinauszuzögern und mit verfahrenstechnischen Eingaben zu sabotieren, hat ihren Sturz demnach besiegelt. Mit dieser Taktik hat die 65-Jährige bis zuletzt gezeigt, wie inkompetent und realitätsfern sie ist. Noch bis gestern hätte sie Gelegenheit gehabt, sich mit einem Rücktritt halbwegs in Würde aus der Affäre zu ziehen.

Vater Park Chung-hee wurde 1979 von seinem eigenen Geheimdienstchef im Blauen Haus ermordet. Als eines seiner Motive nannte der Mörder in seinem Prozess den massiven Einfluss, den der schamanistisch-evangelikale Prediger Choi Tae-min über den Diktator gehabt hätte. Nun wird die Tochter des Diktators wegen des unziemlichen Einflusses der Tochter des Schamanen aus dem Blauen Haus gejagt.

Südkorea dagegen hat mit diesem Urteil bewiesen, dass seine demokratischen und juristischen Institutionen und seine Presse als vierte Macht funktionieren. Parks Sturz zwingt das Land nun zu einem überstürzten Neuanfang. Spätestens am 9. Mai erhält es einen neuen Präsidenten, der sein Amt ohne jede Übergangsperiode antreten muss.

Als Park Geun-hye gewählt wurde, freuten sich manche liberale Koreanerinnen, die nicht für sie stimmten, immerhin sei sie die erste Frau im Präsidentenamt. Korea gehört bisher zu den patriarchalischsten Gesellschaften. Dass die Oppositionführerin, die Parks Amtsenthebung durchs Parlament brachte, und die amtierende Vorsitzende des Verfassungsgerichts, das ihren Sturz bestätigt hat, beide Frauen sind, signalisiert ebenfalls einen Neubeginn.

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