Süddeutsche Zeitung

Senatswahl in Frankreich:Linke erobern sensationell Mehrheit im Palais du Luxembourg

In Frankreich hat sich bei den Teilwahlen zum Senat eine historische Wende ereignet: Erstmals seit Bestehen der Fünften Republik 1958 haben die Linksparteien offenbar eine Mehrheit im Oberhaus. Für den konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy dürfte das Regieren in den Monaten vor der Präsidentschaftswahl dadurch deutlich schwieriger werden.

Stefan Ulrich

Bei der Senatswahl am Sonntag in Frankreich hat die Linke vorläufigen Ergebnissen zufolge einen historischen Sieg errungen. Demnach dürften die Sozialisten zusammen mit kleineren linken Parteien erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg die Mehrheit im traditionell von den Konservativen dominierten Oberhaus stellen. Ein Sprecher der Sozialisten sagte am Abend: "Obwohl der Wahlmodus für uns nachteilig war, wird der Senat der Linken zufallen." Für den konservativen Staatschef Nicolas Sarkozy wäre das, sieben Monate vor der Präsidentschaftswahl, eine schwere Niederlage.

Ein prunkvolles Stadtschloss war an diesem Sonntag das Objekt der Begierde in Paris. 72.000 Wahlmänner mussten entscheiden, wer als Senator in den Palais du Luxembourg einziehen darf. Insgesamt wurden 170 der 348 Sitze des Oberhauses neu besetzt. Die Linke scheint dabei nun eine knappe Mehrheit errungen zu haben. Allerdings zeichnen sich die Senatoren durch eine gewisse Ungebundenheit aus. Es wird in den kommenden Tagen daher zu eifrigen Verhandlungen kommen. Wie erfolgreich die Linke wirklich ist, wird sich am 1. Oktober zeigen. Dann wird der neue Senatspräsident gewählt.

Der Palais du Luxembourg beherbergte so unterschiedliche Gestalten wie den Herzog von Luxemburg, Maria de Medici, Napoleon und Hermann Göring. Heute tagen in dem Stadtschloss die Senatoren, die auf sechs Jahre gewählt werden. Die Entscheidung trifft eine Wahlversammlung. Sie setzt sich aus Delegierten der Regionen, Départements und Gemeinden zusammen. Kleinere Gemeinden des ländlichen Raums haben ein Übergewicht. Dies verschaffte dem bürgerlich-konservativen Lager bislang stets eine Mehrheit.

Bei den vergangenen Kommunal- und Regionalwahlen hat die Linke jedoch stark hinzugewonnen. Die Sozialisten scheinen daher nun, im Verbund mit Kommunisten, Grünen und kleineren Parteien, den Senat erobert zu haben. Die Rechte verfehlte ihr Minimalziel, das Oberhaus mit Unterstützung des Zentrums zu verteidigen. Senatspräsident ist bislang Gérard Larcher von Sarkozys UMP-Partei. Sein Nachfolger könnte der sozialistische Fraktionsvorsitzende Jean-Pierre Bel werden. Beobachter wie der Verfassungsrechtler Guy Carcassonne sagten vor der Wahl: "Ein linker Senat wäre ein politisches Erdbeben."

Linker Senat kann Gesetze verschleppen

Die Macht des Senats ist aber begrenzt. Er kann Gesetze der Nationalversammlung ablehnen und Vermittlungsverfahren erzwingen. Am Ende aber haben die Abgeordneten das letzte Wort. Dennoch ist es für Präsident Sarkozy von Nachteil, dort die Mehrheit zu verlieren. Zum einen kann ein linker Senat Gesetze verschleppen. Zum anderen braucht Sarkozy die Senatoren für Verfassungsänderungen. Er möchte eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild in die Verfassung schreiben. Mit einem linken Senat dürfte das unmöglich sein.

Der Linken eröffnet ihr Sieg dagegen hervorragende Machtoptionen. Sie kontrolliert bereits fast alle Regionen und die meisten Départements. Falls sie im Frühjahr auch die Präsidentschaftswahl und die Wahl zur Nationalversammlung gewinnt, wird sie das ganze Land dominieren. Eine derartige Machtfülle hat selbst der einstige sozialistische Präsident François Mitterrand nie gekannt.

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Quelle:
SZ vom 26.09.2011/moe
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