Senkung von Rentenbeiträgen:Herumdoktern an den begehrten Milliarden

Eher legt ein Hund einen Wurstvorrat an, als dass Politiker einen Milliardenschatz unangetastet lassen: Weil die Rentenkasse prall gefüllt ist, hat die Regierung nun beschlossen, die Beiträgssätze auf 19,0 Prozent zu kürzen - für den Durchschnittsverdiener vor allem ein symbolischer Akt. Forderungen der Gewerkschaften, den Beitrag nicht zu senken, sind dennoch wahnwitzig.

Thomas Öchsner

Es geht um eine der größten Spardosen der Nation. Während in Europa ganze Länder ums finanzielle Überleben kämpfen, sitzt die Deutsche Rentenversicherung auf einem Milliardenschatz. Bis zum Jahresende dürften sich die Rücklagen in der Rentenkasse auf einen Wert von knapp 30 Milliarden Euro türmen.

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Die Bundesregierung will die Beitragssätze zur Rentenversicherung senken - das wäre vor allem ein symbolischer Akt. (Symbolbild)

(Foto: dapd)

Die schon oft totgesagte Bismarck'sche Sozialversicherung lebt, und sie hat sogar so viele Reichtümer angehäuft, dass sie große Begehrlichkeiten weckt. Her damit, rufen die einen; das Geld für schlechtere Zeiten aufheben, fordern die anderen. Die Rentenkasse ist jedoch weder eine Groß-Sparkasse, noch dazu da, Wahlgeschenke zu verteilen.

An diesem Mittwoch hat das Kabinett beschlossen, den Rentenbeitrag zu kürzen. Er soll im nächsten Jahr von 19,6 auf 19,0 Prozent sinken. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen dann zusammen etwa fünf Milliarden Euro weniger an Beiträgen zahlen. Das ist ein großer Batzen Geld - ohne große Wirkung. Kein Unternehmer wird nur einen zusätzlichen Mitarbeiter einstellen, weil seine Lohnnebenkosten etwas geringer geworden sind. Und ein Durchschnittsverdiener mit einem Bruttogehalt von 2600 Euro wird wegen 7,80 Euro netto mehr im Monat keinen Energiespar-Kühlschrank kaufen. Man kann daher schon fragen, ob es überhaupt sinnvoll ist, so viel Geld an die Beitragszahler auszuschütten.

Parole mit Risiko

Formal betrachtet hat Arbeitsministerin Ursula von der Leyen keinen Entscheidungsspielraum: Beläuft sich das Finanzpolster der Rentenversicherung auf mehr als das 1,5-Fache ihrer Monatsausgaben, also den Betrag, den sie an die Ruheständler auszahlt, muss die Regierung den Beitrag verringern. Diese Grenze wird Ende 2012 deutlich überschritten sein, weil es dem Arbeitsmarkt gut geht, die Löhne zum Teil kräftig stiegen und so die Sozialkassen im Geld schwimmen.

Wer die Milliarden-Ausschüttung vor den nächsten Bundestagswahlen verhindern will, muss also das Gesetz ändern. Das wäre nichts Außergewöhnliches: Politiker haben an der Finanzreserve schon mehrmals herumgedoktert. Ziel sollte es aber sein, die Beitragssätze so zu stabilisieren, dass die Rentenversicherung künftig einen konjunkturellen Abschwung und Einnahmeausfälle besser durchzustehen vermag. Und diese können in Zeiten der Staatsschuldenkrise schnell kommen. Die Parole "Geld her, und so viel wie möglich" ist daher nicht ohne Risiko.

Jeder Kompromiss hat Nachteile

Gewiss, für eine Beitragssenkung auf 19,0 Prozent spricht: Eher legt ein Hund einen Wurstvorrat an, als dass Politiker einen Milliardenschatz in einer Sozialkasse unangetastet lassen. Ist Geld da, gibt es Ausgabenwünsche. Außerdem wird jeder Finanzminister, der ohnehin bereits ein Drittel der Rentenausgaben übernimmt, dann versuchen, auf Kosten der Rentenversicherung zu sparen. Das wäre sozial ungerecht, weil Lasten, die alle Steuerzahler getragen haben, auf die Sozialversicherung umgewälzt werden. Und dessen Beiträge belasten gerade Geringverdiener.

Forderungen der Gewerkschaften, den Beitrag nicht zu senken und stattdessen schrittweise für eine "Demografie-Reserve" zu erhöhen, sind deshalb wahnwitzig. Es würde eine Rücklage im dreistelligen Milliardenbereich entstehen, die noch mehr Begehrlichkeiten auslöst; abgesehen davon, dass die Manager der Rentenkasse in Niedrigzinsphasen wie diesen, nach Abzug der Inflation, das viele Geld nicht einmal so anlegen können, dass sie damit positive Erträge erwirtschaften.

Jeder Kompromiss hat deshalb Nachteile. Trotzdem machen sich Sozialexperten der Union zu Recht dafür stark, den Beitrag weniger deutlich zu reduzieren, die äußerst knapp bemessene Mindestrücklage von 0,2 Monatsausgaben zu erhöhen und die eiserne Reserve weiter aufzufüllen. Eine Obergrenze von zwei statt 1,5 Monatsausgaben könnte helfen, die Rentenversicherung in schweren Zeiten stabiler zu machen. Auch würde der prognostizierte Beitragsanstieg im nächsten Jahrzehnt weniger abrupt ausfallen.

Beim Kampf um den Milliarden-Schatz wird es langfristig auch um den Weg gehen, den die Rentenversicherung einschlagen soll. Sprudeln die Einnahmen weiter so kräftig, stellt sich erst recht die Frage, ob die Politiker die Reformen zurückdrehen und das Rentenniveau wieder anheben sollen. Dies wird auf Dauer nicht finanzierbar sein, wenn die Beiträge für die Jüngeren bezahlbar bleiben sollen.

Dennoch gibt es Reformbedarf, etwa bei den Renten für Menschen, die wegen einer Krankheit vorzeitig mit dem Arbeiten aufhören müssen. Deren Erwerbsminderungsrenten sinken ins Bodenlose. Eine Versicherung, bei der ein Großteil der Wähler das Gefühl hat, dass sich ihre Einzahlungen nicht lohnen, werden sie sich auf Dauer aber nicht gefallen lassen.

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