Senegal:Wahlsieg im Eiltempo

Der alte Präsident könnte auch der neue sein - Macky Sall lässt sich zum Gewinner küren, bevor es ein offizielles Ergebnis gibt. Die Opposition protestiert.

Von Anna Reuss

Senegal: Anhänger des amtierenden Präsidenten Macky Sall jubeln schon am Wahlabend auf den Straßen Dakars.

Anhänger des amtierenden Präsidenten Macky Sall jubeln schon am Wahlabend auf den Straßen Dakars.

(Foto: Michele Cattani/AFP)

Nur wenige Stunden nach der Präsidentenwahl in Senegal hat Regierungschef Mohammed Dione Amtsinhaber Macky Sall zum Sieger erklärt. Sall habe am Sonntag 57 Prozent der Stimmen bekommen, sagte Dione am frühen Montagmorgen vor der Presse in der Hauptstadt Dakar. Anhänger der Opposition widersprachen: Die vorläufigen Wahlergebnisse machten eine Stichwahl unvermeidbar. "Wir werden nicht zulassen, dass der scheidende Präsident den Willen des Volkes unterdrückt", sagte Idrissa Seck, einer von insgesamt vier Herausforderern Salls. Der Oppositionskandidat Ousmane Sonko sagte, er gehe davon aus, dass keiner der fünf Kandidaten mehr als die Hälfte der Stimmen errungen habe.

Die Leiterin der Wahlbeobachtungsmission der EU hingegen bewertete am Sonntag vor Journalisten den Verlauf der Wahl als überwiegend positiv. Rund 6,2 Millionen senegalesische Wahlberechtigte waren aufgerufen, einen Präsidenten zu wählen. Ein offizielles Ergebnis wird bis Ende der Woche erwartet. Erhält kein Kandidat eine klare Mehrheit, müssen sich die zwei stärksten Kandidaten am 24. März einer Stichwahl stellen.

Sall hat das Präsidentenamt seit 2012 inne. Zuspruch erhielt er anfangs vor allem für einen ehrgeizigen Entwicklungsplan, für verbesserte Wasserversorgung und Infrastrukturprojekte. Vor den Toren Dakars soll etwa Diamniadio, eine Stadt für die Elite, mit Hotels und ökologischen Wohnprojekten entstehen. Auf Werbeplakaten steht: "Der Aufbruch beginnt hier". Tatsächlich glaubten im Jahr 2012 viele an einen Aufbruch, als Sall in das Amt gewählt wurde. Doch sieben Jahre später ist er gerade in der jungen Stadtbevölkerung zunehmend unbeliebt. Die Jugendarbeitslosigkeit ist trotz des Reformprogramms hoch.

Während andere westafrikanische Gesellschaften unter Terrorismus und schwacher Staatlichkeit leiden, gilt das kleine und geostrategisch eher unbedeutende Senegal als Musterbeispiel für Stabilität. Anders als viele andere Staaten des Kontinents erlebte Senegal in seiner postkolonialen Geschichte nie einen Bürgerkrieg oder die Willkür eines Militärregimes.

Doch die senegalesische Demokratie weist gravierende Mängel auf, was nicht zuletzt am Regierungsstil des einstigen Hoffnungsträgers Sall liegt. Die Verfassung sieht einen starken Präsidenten vor, im Wahlkampf hatte Sall daher einen Amtsinhaber-Bonus. Dass Sall nun dem Anschein nach als Sieger aus der Wahl hervorgehen wird, ist wenig überraschend: 2018 verabschiedete seine Regierung ein Gesetz, das potenziellen Anwärtern die Präsidentschaftskandidatur erschweren sollte. Den beiden bekanntesten Oppositionellen wurde das Antreten gleich ganz verweigert. Zudem wurden Wahlkreise zugunsten des Präsidenten verändert.

Im Jahr 2012 besiegte Sall den langjährigen Präsidenten Abdoulaye Wade, der als korrupt galt und seinen Sohn als Nachfolger installieren wollte. Dieser Nepotismus machte den damals 86-jährige Wade gerade bei der Jugend unbeliebt. Als er seine Kandidatur für eine dritte Amtszeit ankündigte, obwohl die Verfassung nur zwei Amtsperioden zulässt, war das der Beginn einer landesweiten Protestbewegung von Jugendlichen, angeführt von einer Gruppe von Rappern namens "Y'en a marre". Die Bewegung entfaltete enorme Kraft und trug zu Wades Wahlniederlage bei. Auch heute noch ist "Y'en a marre" bei der politischen Führung gefürchtet.

Mit Leuten wie Sall an der Spitze werde sich in Afrika nie etwas ändern, sagt der Rapper Thiat

Der Rapper Thiat stand 2012 an der Spitze der Bewegung. "Nichts hat sich verändert. Es ist die alte Politik mit neuem Stempel", sagte er nun der SZ kurz vor der Wahl. Auch Wades Nachfolger habe die Hoffnungen der Jugend enttäuscht. Sall habe ein "diktatorisches Umfeld" geschaffen, indem er aggressiv gegen Oppositionelle vorgehe. Sein wichtigstes Wahlversprechen von 2012 habe er zudem nicht erfüllt: seine eigene Amtszeit von sieben auf fünf Jahre zu verkürzen. "Mit Leuten wie Macky Sall an der Spitze wird sich in Afrika nie etwas ändern", sagte Thiat.

Im Januar veröffentlichte der Musiker das Lied "Saï Saï au coeur"- frei übersetzt: Verräter im Herzen des Landes. Der Titel war eine Reaktion auf Salls autobiografisches Buch "Senegal im Herzen". Dieser war empört, konnte sich jedoch so kurz vor der Wahl keinen Schlagabtausch mit den Jugendidolen von 2012 leisten. Das dazugehörige Musikvideo wurde schon nach einer Woche mehr als eine Million Mal angeklickt.

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